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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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direkt vor mir. Doch noch ehe ich meine letzten Energiereserven mobilisieren konnte, um mich auf einen der beiden zu stürzen, sagte die Pflegerin emotionslos, wie es ihre Art war: »Die Patientin verträgt kein Licht. Man sollte darauf Rücksicht nehmen.«
    Lenz reagiert unwirsch.
    »Natürlich sollte man das. Wie schön, dass ich es erfahre, bevor ich der Patientin aus Unkenntnis ein Leid zugefügt habe! Wieso gibt es darüber keinen Vermerk in ihrer Akte?«
    »Ich werde es nachtragen.«
    Doch die Idee, mich an die frische Luft zu bringen, gab Lenz deswegen noch nicht auf. Am späten Abend stand er mit einem Rollstuhl in der Tür, um mich im Schutze der Dunkelheit hinauszufahren. Seine Berührung schmerzte mich, als er mich aufhob und in das Vehikel setzte, aber es war ein bittersüßer Schmerz, der mich nahe genug an ihn heranbrachte, um meinen Kopf an seine Schulter zu legen und dem in mir lauernden Ungeheuer die Gelegenheit zu verschaffen, seine Zähne Lenz in den männlich-muskulösen Hals zu schlagen. Es musste meine konstitutionelle Schwäche sein, mein unbefriedigender Allgemeinzustand nach Jahren des Hungers und des Durstes, der Krampf des Stupors, der meinen Körper wie ein eisernes Korsett umklammert hielt – ich verpasste den Moment und hockte wenig später erneut spastisch verkrümmt im Rollstuhl, den Lenz frohgemut durch die langen, hallenden Gänge der Anstalt hinaus ins Freie schob.
    Der Mond stand als halbe Scheibe am Himmel und in der Dunkelheit rief ein Steinkauz, als er mich über den gekiesten Weg zu einer Bank an einem Buchsbaumkreisrollte, auf der er sich entspannt niederließ. Nun Aug in Aug mit mir saß er dort schweigend, als warte er ab.
    Er war nur mittelgroß, aber von guter Statur, und sein Gesicht war angenehm intellektuell mit wachem, forschendem Blick aus dunklen Augen, zwischen denen eine in Form und Länge recht anständige Nase platziert war. Er trug sein dunkles Haar halblang, mit freier Stirn zurückgekämmt und füllig über den Ohren. Ob das zurzeit Mode war? Er war ohne Härte und Zynismus, strahlte aber eine fachkundige Ernsthaftigkeit und glaubwürdige Autorität aus. Man merkte, dass er in seinem Beruf aufging. Auch gefiel mir seine menschliche Zuwendung. Allein dass er so viel Anteil an meinem Schicksal nahm, zeigte, dass in ihm, neben all seinem wissenschaftlichen Ehrgeiz, ein fühlendes Herz für seine Patienten schlug, welches ich bei Professor Müller-Wagners Experimenten eher vermisst hatte.
    Die Dunkelheit im Garten war gnädig und umhüllte samten mein Gemüt. Wie flüssiges Silber lag das Mondlicht auf meiner Marmorhaut und der Gesang der Nacht weckte meine Sinne aus der Starre der Versteinerung.
    Ich spürte den Tonus meines Körpers weicher werden unter diesem Einfluss und fühlte mich zugleich entsetzlich schwach. Wieder pulste der begierige Gedanke an Blut durch mein Gehirn, und nicht nur das Monster, sondern auch ich hatte Durst, so unendlich großen Durst wie noch nie in meinem Leben. Ich fühlte, dass ich im Begriff stand zu verdorren, wenn nicht sofort wenigstens ein kleiner Tropfen Blut meine Lippen netzte!
    Berühr mich, flehte ich stumm, tritt zu mir, fass mich an …
    Aber Conrad Lenz tat nichts dergleichen. Es ärgerte mich, aber zugleich war ich auch froh darüber, denn diesesmonströse Verlangen war mir auch jetzt noch genauso unheimlich wie in meinen Kindertagen.
     
    Ich war ein wildes Kind, das es liebte, in der frühen Dämmerung herbstlicher Abende um das Haus herumzustromern, mit den Tieren zu spielen und mit meinem Vater Amadeus auszureiten. Die warme, dampfende Vitalität der Pferde zog mich wie magisch an, und die großen, unter ihrer Haut gut fühlbaren blutgefüllten Adern faszinierten mich immer wieder aufs Neue. Legte ich meine kleine Hand darauf, so war es, als stellte sich eine Verbindung zwischen mir und dem Pferd her, die jenseits jeder menschlichen Wahrnehmung lag. Ich spürte instinktiv, dass hier ein Urquell des Lebens pulste, der mir fehlte. In meinen Adern floss nichts, mein Körper war kalt und bleich, und während die Pferdeleiber vor Energie dampften, produzierte ich nicht einmal kalten Schweiß. Die Pferde weckten in mir eine Sehnsucht, die ich nicht erklären konnte. Amadeus war der Einzige, der das zu verstehen schien. Wohl darum brachte er mir sehr früh das Reiten bei, und bei unseren gemeinsamen abendlichen Ausritten erklärte er mir, warum das Pferd eines der edelsten Geschöpfe auf der Welt sei.
    »Nur das

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