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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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empfand es geradezu als einen Akt der Menschlichkeit, meine Opfer ihrem tristen irdischen Dasein zu entreißen. Was danach kam, konnte nur besser für sie sein.
    Friedrich sah bei unserer späten Ankunft in Berlin wirklich schrecklich aus. Totenbleich, hohlwangig und mit eingefallenen Augen machte er Graf Orlok aus Nosferatu Konkurrenz. Ich führte ihn darum an einen Ort, wo vampirische Triebe neben anderen Begierden nicht sonderlich auffielen. Auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten, der sich dort jede Nacht entfaltete, war auch frisches Blut leicht zu haben.
    Trotz seines unheimlichen Aussehens hatte Friedrichkeine Mühe, bald mit einer grellen Schönheit in einem dunklen Winkel zu verschwinden und ihr einen lustvollen Akt der ganz besonderen Art zu bescheren.
    Als er zurückkam, wischte er sich mit der Hand ein paar Blutreste vom Mund und sagte mit wohligem Seufzer: »Ich hasse es nach wie vor, aber es war superb!«
     
    Zurück in der Brüderstraße setzte ich mich noch in der Nacht an den Sekretär meiner Mutter und dachte über Conrad nach – und über die Macht der Liebe. Denn sie allein hatte Friedrich davon abgehalten, ihn zu töten. Conrads Kuss in dieser lebensbedrohlichen Situation hatte ein Zeichen gesetzt … für ihn und, wenn ich ehrlich wahr, auch für mich. Es sah so aus, als ob Conrad mir weit mehr bedeutete, als ich mir selber eingestehen wollte. Immerhin schien es möglich, ihn zu küssen, ohne ihn zu töten. Deswegen gleich von Liebe zu sprechen wäre natürlich übertrieben, aber … vielleicht …
    Selbstverständlich war die Freude bei Vanderborg so übermächtig, dass ich dachte, er würde vor Aufregung an einem Herzinfarkt sterben. Allein der Großvater erwies sich als zähes Urgestein, überlebte die Attacke und blühte danach regelrecht auf. Seinen tot geglaubten Sohn und seine Enkelin nun bei sich zu haben, mobilisierte in ihm ungeahnte Energiereserven, und es war eine Freude, zu sehen, wie er sich dem Leben und seinen schönen Seiten wieder zuwandte. Natürlich war es ihm ein inneres Anliegen, endlich auch den Zwist zwischen Friedrich und Hansmann beizulegen und eine Aussöhnung zwischen seinen Söhnen herbeizuführen.
    »Friedrich, es ist einer der wenigen Wünsche, die ich in meinem Alter noch habe. Warum unternimmst du nichtwenigstens einen Versuch? Ich habe bereits mit Hansmann und Gertrud gesprochen, und sie sind bereit, für die Familie ein kleines Festessen zur Feier deiner gesunden Rückkehr zu geben.«
    Friedrich war nicht allzu scharf darauf, aber da er sich sehr für Hansmanns Vermögensverhältnisse interessierte und zudem Nachricht über Utz erhoffte, stimmte er schließlich zu.
    »Weniger förmlich wäre es mir lieber gewesen«, meinte er zu mir, aber vermutlich hatte Hansmann diesen Rahmen gewählt, um nicht mit Friedrich allein reden zu müssen, und so zuckte ich die Schultern und sagte nur: »Lass uns dem Großvater zuliebe hingehen, dann hast du es hinter dir.«
    Friedrich hatte sich in kürzester Zeit erholt, und da auch ich bei unseren nächtlichen Ausflügen ins Milieu auf meine Kosten kam, waren wir beide auf der Höhe unserer körperlichen und geistigen Leistungskraft, als wir an einem der nächsten Abende mit Vanderborg zur Villa von Utz aufbrachen, um auf Hansmanns Fest die Aussöhnung der Familie zu zelebrieren.
    Niemand von uns konnte ahnen, dass sich das Schicksal zu diesem Anlass mal wieder eine eigene Inszenierung ausgedacht hatte.
     
    Wir hatten gerade das Essen beendet, zu dem Hansmann reichlich Luxusgüter wie Champagner, Austern, Rheinlachs und Edelgeflügel, die zu dieser Zeit kaum zu bekommen und daher nahezu unbezahlbar waren, hatte auffahren lassen, und waren dabei, uns in den Salon zu begeben, als ein Gast gemeldet wurde.
    »Ein Herr Ludolf Radke wünscht mit Referenz vonHerrn Bankier Karolus Utz Herrn Vanderborg zu sprechen«, meldete der Diener, und jedes Gespräch verstummte.
    Hansmanns Gesicht überzog schlagartig eine kalkige Blässe, und Großvater Vanderborg schien sein Kragen zu eng zu werden, denn er nestelte an seinem Binder und hustete dabei ziemlich schwindsüchtig.
    Auch Friedrich schien verwundert, denn er zischte Hansmann zu: »Sagtest du nicht, Utz sei in den Karpaten verschollen, ja vermutlich tot? Wie es scheint, erfreut er sich bester Gesundheit.«
    Hansmann räusperte sich und fuhr sich ebenfalls an den Kragen. »Ähm, ja, es scheint so«, sagte er wortkarg und wandte sich dann an den Diener. »Es passt gerade nicht, ich habe

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