Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
morgen.«
»Hast du denn nicht vorsorglich Devisen eingekauft?«, fragte Großvater Vanderborg. »Es geht doch nun schon seit Monaten das Gerücht über eine Währungsreform.«
»Man kann nicht jedem Gerücht Glauben schenken …«
»Als Bankier sollte man zumindest wachsam sein, und hast du nicht aus dem Verlust der Kolonien gelernt, dass man nie nur auf eine Karte setzen sollte?«
»Ich setze nicht nur auf eine Karte.«
Nun war es an Friedrich, zynisch zu grinsen.
»Stimmt, geht die Bank pleite, hast du ja immer noch Estelles Vermögen, das du dir unberechtigt angeeignet hast, indem du Amanda entmündigen ließest.«
»Sie war irre und gemeingefährlich. Es geschah alles nur, um den Besitz zu retten, nachdem Utz und Estelle verschwunden waren.«
»Dann kannst du Amanda ja nun das Vermögen ihrer Eltern zurückgeben. Es ist ihr rechtmäßiges Eigentum, sie hat Freunde, die sie bei der Verwaltung unterstützen, bis diese wieder in Berlin sind. Sie braucht deine großzügige Hilfe nicht mehr.«
Das war zu viel für Hansmann. Erst Radkes Forderung und dann von Friedrich auch noch das … er explodierte ohne jede Vorwarnung:
»Raus!«, brüllte er uns an. »Raus! Alle! Und wagt es nicht, mein Haus noch einmal zu betreten. Utz gilt offiziell als im Krieg verschollen und Amanda ist entmündigt. Solange keineanerkannte Kapazität auf dem Gebiet der Psychiatrie ihr etwas anderes bescheinigt, ist sie eine gemeingefährliche Irre und hat nicht den mindesten Anspruch auf den Besitz ihrer Eltern. Ich, als ihr nächster Verwandter, führe als ihr von Amts wegen bestellter Vormund ihre Geschäfte, und wenn du, Friedrich, noch einmal mit ihr und deinen unberechtigten Forderungen hier auftauchst, werde ich dafür sorgen, dass sie umgehend wieder in die Psychiatrie eingewiesen wird.«
So wie er sich aufblies, machte er durchaus den Eindruck, dass er es ernst meinte und auch über die nötigen Beziehungen verfügte, diese Drohung umgehend in die Tat umzusetzen. »Geht, geht, Kinder«, drängte darum auch Großvater Vanderborg, »ich bleibe noch hier und beruhige ihn. Der Radke hat ihn so aufgebracht, nehmt das nicht persönlich.« Ich ergriff Friedrich also am Arm und zog ihn mit mir aus der Villa hinaus in die Dunkelheit.
Wir fanden schnell eine Mietdroschke, und als wir auf der Rückbank Platz genommen hatten, fragte ich mich, ob die Wirtschaftskrise wirklich zum Zusammenbruch von Utz’ Bank führen würde. Von der Gefahr für andere große Bankhäuser hatte Großvater Vanderborg schon vor einigen Tagen aus der Berliner Presse vorgelesen.
»Was meinst du, Friedrich«, fragte ich darum ziemlich beunruhigt, während wir in die Brüderstraße zurückfuhren, »werden die deutschen Banken zusammenbrechen? Und was wird das für das Bankhaus von Utz bedeuten?«
Friedrich legte den Arm um mich.
»Ich bin kein Wirtschafts- oder Währungsexperte«, meinte er. »Ich weiß nur wie jeder Mensch mit gesundem Menschenverstand, dass die Reichsmark genauso am Boden liegt wie das Reich. Wir bluten unter den Reparationszahlungen aus und wir haben nichts mehr, was unsere Währung stabilisierenkönnte. Alles, was wertvoll ist, wie zum Beispiel Kohle und Stahl, müssen wir an die Siegermächte abtreten.«
»Aber das ist doch nur gerecht«, sagte ich mit wenig Verständnis für sein Lamentieren. »Schließlich hat das Reich den Krieg angefangen und verloren. Man kann gar nicht genug an Wiedergutmachung dafür verlangen, wenn ich an die Menschenopfer denke, die er gefordert hat.« Und vor mir sah ich die entsetzlich entstellten Gesichter der ehemaligen Soldaten, die mein Los in der Psychiatrie mit mir geteilt hatten.
»Ach, Amanda«, sagte Friedrich resignierend. »Das kann man niemals wiedergutmachen. Du hast deinen Vater verloren und ich meinen Freund Amadeus. Aber unter den Reparationen leiden genau wieder nur die Menschen, die auch unter dem Krieg gelitten haben. Solche Leute wie Hansmann rauchen weiter ihre dicken Zigarren, während der kleine Mann nicht weiß, woher er das Brot für seine Kinder nehmen soll. Und vergiss nicht, der Kaiser hat einfach abgedankt und sich leise ins Exil geschlichen, während die junge Republik unter der Kriegsschuld und den Kriegsschulden ächzt und vermutlich irgendwann darunter zusammenbrechen wird.«
»Das glaubst du wirklich Friedrich? Du, der ein so glühender Anhänger der Republik ist?«
»Ich glaube es nicht, Amanda, ich befürchte es. Überall entstehen separatistische Bewegungen, in der
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