Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
Gäste, bitte sagen Sie das dem Herrn. Er möge zur Geschäftsstunde der Bank erneut vorsprechen.«
Wenn er gedacht hatte, sich so den ungebetenen Besuch vom Hals zu schaffen, so irrte er. Bald stand der Diener wieder in der Tür und vermeldete:
»Der Herr ist eilig, er ist auf der Durchreise und hat Anweisung von Herrn Utz, unverzüglich bei Herrn Vanderborg wegen dringender geschäftlicher Transaktionen vorzusprechen.«
Hansmann hatte keine andere Wahl, als ihn vorzulassen, fand ich, aber aus irgendeinem Grund scheute er die Begegnung und beschied Radke erneut abschlägig.
Wenig später ertönte vor der Salontür ein Tumult, dann wurde sie heftig aufgestoßen und ein mittelgroßer Mann, mit halblangen Haaren, mächtigem Backenbart und verschlagenem Blick, der wohl besagter Ludolf Radke war, stand in der Türöffnung. Ich erinnerte mich, einen Mann von ähnlich fuchsartiger Verschlagenheit einmal bei meinerMutter auf Blankensee im Gutsbüro gesehen zu haben. Mir wäre jedoch nie der Gedanke gekommen, dass er sie damals erpresst hatte. Was mochte er jetzt von Hansmann wollen?
»Sie gestatten«, sagte er frech und trat ungebeten ein. »Sieh an, die ganze Familie ist anwesend. Was wird gefeiert, wenn man fragen darf ?«
»Man darf nicht«, sagte Friedrich und Hansmann zog das entsprechende Gesicht dazu. Radke machte sich nichts aus der Abfuhr, sondern lachte ein schleimiges Lachen und sagte: »Auch wenn es die Feierlichkeit stört, wir müssen ein paar geschäftliche Dinge besprechen, Herr Vanderborg, und es trifft sich gut, dass auch Fräulein Amanda anwesend ist, denn ich habe an sie eine Botschaft zu übergeben.«
Er sah mich mit einem derart schmierigen Grinsen an, dass mir geradezu Übelkeit aufstieg, dennoch war ich so verblüfft, dass ich stammelte: »Eine, eine Botschaft für mich? Wieso? Von wem?«
»Von Ihrem Herrn Vater, Karolus Utz. Ist es nicht verständlich, dass er seine Tochter grüßen lässt?«
Mir griff es kalt ans Herz, und wäre ich nicht schon über die verwickelten verwandtschaftlichen Verhältnisse aufgeklärt gewesen, wäre ich gewiss ohnmächtig zusammengebrochen. So rang ich zwar nun ebenfalls wie die Männer nach Luft, konnte aber nach außen Haltung bewahren. »Das wundert mich«, sagte ich daher kühl, »bisher schien ich ihm eher gleichgültig zu sein.«
Radke kniff die ohnehin schon schmalen Augen noch mehr zusammen und starrte mich daraus respektlos an.
»Das werden wir später besprechen«, wies er mich brüsk ab. »Zunächst das Geschäftliche.«
Radke forderte viel Geld von Hansmann und zwar in bar.
Utz hatte von der im Reich grassierenden Inflation gehörtund wollte, ehe die Bank zusammenbrach, Transaktionen in ausländische Währungen vornehmen. Hansmann sagte zu, das zu versuchen. Dann forderte Radke bis zum anderen Tag außerdem eine größere Summe Bargeld in unterschiedlichen Währungen.
Hansmann erbleichte erst, lief danach rot an und stammelte schließlich:
»Das, ähm, das wird im Moment nicht machbar sein, das Bankhaus ist für den Geschäftsverkehr geschlossen. Wir können angesichts der Inflation die benötigten Bargeldbestände nicht deponieren.«
»Dann sehen Sie zu, dass Sie sich Währungen besorgen, die man nicht mit der Schubkarre durch die Gegend fahren muss. Ehrlich gestanden wäre mir das etwas unhandlich bei meiner Rückreise in die Karpaten.«
»Das wird kaum möglich sein, seit Wochen flieht alles in ausländische Währungen. Der Dollar ist vollkommen überbewertet, die Bank wird horrende Verluste machen …«
»Die Bank wird bald gar nichts mehr machen, wenn Sie sich nicht von dem wertlosen Plunder trennen. Auf wie viel Milliarden Reichsmark dotiert der Dollar?«
Hansmanns Gesicht bekam einen Grünstich und ich befürchtete, er würde sich gleich hier dem Radke vor die Füße übergeben. Der sah das wohl ebenfalls kommen, denn er fügte eine Spur jovialer hinzu:
»Ich warte bis morgen, dann aber muss ich unverzüglich aufbrechen.« Er klopfte Hansmann auf die Schulter. »Ein Geschäftsmann wie Sie wird doch eine solch lumpige Summe bis dahin auftreiben können.«
In der Tür drehte er sich noch einmal um und meinte mit zynischem Grinsen: »Wie gesagt, große Scheine in stabilen Währungen.«
Hansmann sank einer Ohnmacht nahe in einen der voluminösen Sessel, die offensichtlich Utz noch angeschafft hatte.
»Unmöglich«, stammelte er, »es ist völlig unmöglich, so viel Geld in ausländischer Währung aufzutreiben … schon gar nicht bis
Weitere Kostenlose Bücher