Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
Arzt, der versucht meine Seele zu heilen. Er ist ein Spezialist für Mutter-Kind-Probleme …«
Friedrich sah mich skeptisch an.
»So einem vertraust du?«
Nun musste ich lächeln.
»Warum nicht? Er hat mich immerhin mit dieser Methode eines gewissen Dr. Freud aus der Irrenanstalt befreit.«
Friedrich lächelte nun auch.
»Dann sollte man ihm vertrauen können. Ich freue mich, ihn kennenzulernen. Was aber den Ausgangspunkt unseres Gesprächs angeht, ich frage mich wirklich, wie Hansmann in den Besitz des Bankhauses und der Villa von Utz gekommen ist.«
Dazu konnte ich ihm auch nichts sagen, und weil mich diese Vermögensdinge ehrlich gesagt überhaupt nicht interessierten, schlug ich vor: »Frag Großvater Vanderborg, er ist der Einzige, der dir darüber Auskunft geben kann.«
»Nimm Gift darauf, dass ich das tun werde, denn ich muss wissen, was aus Utz geworden ist. Ein dummer Unfall hat ihn ebenfalls zu einem Vampir gemacht, und deine Mutter hat nicht ohne Grund dieses Geheime Gewölbe ausbauen lassen – es sollte ihr und uns als Schutz dienen …«
»Schutz wovor?«, fiel ich ihm ungezügelt ins Wort.
»Vor einem Monster, vor dem absolut Bösen … vor Utz!«
Keiner von uns ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass es uns schon bald Zuflucht vor einem weit schlimmeren Monsterwürde bieten müssen, dessen blutige Spur sich durch ganz Europa ziehen würde.
Conrad hatte anderntags zunächst mit einiger Verwunderung auf den fremden Mann an meiner Seite reagiert, sich dann aber schnell entgegenkommend gezeigt, als ich ihn als meinen Onkel vorstellte. Da es sich bei Friedrich um den Bruder meiner Mutter Estelle handelte, war er sofort daran interessiert, ihn in seine Analyse mit einzubinden.
»Das ist großartig, Herr Vanderborg«, meinte er. »Sehr hilfreich für die Anamnese, also die familiäre Vorgeschichte zu Amandas Leiden …«
Es folgte ein Schwall wissenschaftlicher Fachbegriffe, und Friedrich und ich zwinkerten uns zu.
»Langsam, Conrad, langsam«, bremste ich seinen Überschwang. »Onkel Friedrich kommt mit uns nach Berlin, da hast du alle Zeit der Welt, um dich mit ihm und meinem Vorleben zu beschäftigen. Im Moment wäre es wohl wichtiger, das Haus sturmfest zu machen, bevor wir aufbrechen. Mir scheint ein heftiges Gewitter aufzuziehen, es pfeift bereits recht unschön, und ich erinnere mich, dass plötzliche Stürme hier mitunter schlimme Verwüstungen anrichten.«
Meine Sorge war nicht unbegründet, denn als wir gegen Abend mit dem Automobil nach Berlin aufbrachen, blitzte und donnerte es bereits, und der Sturm war orkanartig angeschwollen, sodass Birken und Kiefern am Wegrand knickten wie trockene Halme. Sintflutartiger Regen peitschte gegen die Windschutzscheibe und nahm Conrad immer wieder komplett die Sicht, sodass wir nur im Schneckentempo vorankamen. Wenigstens kamen wir zunächst vorwärts. Damit war es abrupt vorbei, als wenige Meter voruns eine Kiefer mit breiter Krone niederkrachte und die Weiterfahrt unmöglich machte.
»Es hilft nichts«, sagte Lenz, »ich fürchte, wenn wir nicht den ganzen Weg zurückfahren und einen gewaltigen Umweg in Kauf nehmen wollen, für den mir vermutlich ohnehin der Kraftstoff fehlt, müssen wir versuchen den Stamm von der Straße zu ziehen.«
Das war freilich leichter gesagt als getan. Als die beiden Männer alleine nicht weiterkamen, stieg auch ich aus und wir kämpften zu dritt mit dem sperrigen Baum, peitschendem Regen und heulenden Sturm.
In kürzester Zeit waren wir vollkommen durchgeweicht und mussten uns eingestehen, dass unsere Kräfte nicht ausreichten, um die Straße frei zu räumen. Allerdings hatte Lenz ein Seil zum Abschleppen im Wagen, das wir um einen starken Ast in der Krone schlingen und dann am Auto befestigen konnten. Im Rückwärtsgang gelang es Conrad so, die Krone wenigstens etwas zur Seite zu ziehen. Als er das Seil aus dem Astgewirr wieder lösen wollte, schnellte ein scharf gesplitterter Zweig zurück und schlug ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Er schrie auf, taumelte und stürzte zu Boden. Im Licht der Scheinwerfer sah ich, wie aus Mund und Nase Blut lief.
Auch Friedrich sah es und war nicht mehr zu halten. Nach Jahren des Fastens war sein Blutdurst übermächtig, und noch ehe ich überhaupt reagieren konnte, um Lenz zu helfen, hockte er schon über ihm und begann das Blut von seinem Gesicht zu lecken. Als er einen Moment innehielt und zu mir aufsah, leuchteten im Licht der Scheinwerfer seine gewaltigen Eckzähne, und ich
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