Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
mal ertrug ich ihre Nähe nicht und ließ sie schreien, bis das Mädchen oder Käthe bestürzt angelaufen kamen, um das Würmchen zu trösten. Dann fühlte ich mich sogleich als Rabenmutter, kasteite mich mit Selbstvorwürfen, schwor mir, alles besser zu machen, und verfiel doch bald wieder in eine dunkle Melancholie, aus der heraus ich nur das Schlimmste erwartete und so wiederum dem Kind nicht die herzliche Liebe geben konnte, die es doch so nötig brauchte.
Unabhängig davon belastete mich die Frage, wie man ein Vampirkind aufziehen musste. Ich hatte keine Milch, um Amanda zu stillen, und als Käthe es mit der Flasche versuchte, spie sie die Kuhmilch von sich. Ich hätte ihr Blut anbieten können, aber es widerstrebte mir, ein so kleines Kind zu einem solch höllischen Ritual wie dem Bluttrinken zu verleiten, denn vielleicht war meine Tochter ja dochein Mensch und nur gegen Kuhmilch empfindlich. So probierten wir es mit allerlei anderen Getränken, wie Tees und Säften, und hatten schließlich Erfolg mit einem dunkelroten Holunderbeersaft, der ihr so gut bekam, dass sie bald mit rosigen Bäckchen in ihrer zauberhaften Wiege lag, die Vanderborg, ganz stolzer Großpapa, noch am Tage ihrer Geburt hatte herbeischaffen lassen. Er hatte natürlich die Neuigkeit nicht für sich behalten können und so erreichte sie auch Utz, der einen großen Strauß weißer Lilien wie zu einer Beerdigung schickte und auf der beigefügten Karte Mutter und Kind alles Gute wünschen ließ. Mehr hörte ich in diesen ersten Wochen nicht von ihm, was mir nur recht war.
»Ich glaube, er hat einen Sohn erwartet«, meinte Vanderborg sein Desinteresse an dem Mädchen erklären zu müssen, und auch ich nahm an, dass er wirklich, nachdem ich diese Hoffnung nun auch enttäuscht hatte, wieder jegliches Interesse an mir und dem Kind verloren hatte.
So holte ich eines Tages, in meinem abgedunkelten Zimmer sitzend, den Diamantring aus meinem Sekretär und sandte ihn durch Vanderborg an Utz zurück. Eine Botschaft beizulegen erübrigte sich, er würde wissen, dass ich mich durch diesen Akt einmal mehr vom ihm lossagte. Was immer er auch darüber dachte, für mich war es wichtig, ihm nicht durch ein solches Geschenk in der Schuld zu stehen und auch von Amanda seine Ansprüche fernzuhalten. Sie war mein Kind, nicht seins! Und sie war durch nichts zu kaufen. Das sollte er von Anfang an wissen. Egal, wer ihr leiblicher Vater war.
Obwohl ich also Amanda mit Sorge betrachtete, lastete eine andere Frage ebenso schwer auf mir.
Amadeus schien mir in seinem Wesen so gänzlich unverändert, dass ich mich ernstlich fragte, ob ich nicht wirklich unter der lebensbedrohlichen Situation der Geburt einer kurzzeitigen Verwirrung meines Geistes erlegen war? Konnte es sein, dass es sich bei meiner Annahme, Amadeus zu einem Vampir gemacht zu haben, um ein reines Hirngespinst handelte?
Aber nein, ich bildete mir das nicht ein! Ich hatte doch die Bissspuren an seinem Hals gesehen und noch genau vor Augen, wie ich seine Lippen mit meinem Blut benetzt hatte, bis er es endlich aufnahm und neue Lebenskräfte entwickelte.
Ich versuchte mich noch einmal an die Worte der alten Romina zu erinnern, insbesondere daran, was sie über die Verwandlung eines Menschen in einen Vampir gesagt hatte.
»Und das geht so leicht?«, hatte ich sie ungläubig gefragt. »Nur Blut, das im Körper eines Vampirs geflossen ist, muss man trinken, nachdem man von einem Vampir gebissen wurde, um selber einer zu werden?«
Sie zuckte die Schultern, zog ihren Schal enger um sich und meinte: »Ob es einfach geht, weiß ich nicht, vielleicht braucht es eine gewisse Zeit, bis sich die restliche menschliche Lebensenergie verbraucht hat, und die Verwandlung geschieht erst so nach und nach.« Sie sah mich prüfend an. »Wie war es denn bei dir, mein Kind?«
Ich wusste es nicht.
»Ich glaube, bei mir war es anders, denn ich bin nicht durch den Todeskuss eines Vampirs zur Vampirin geworden, sondern durch einen Fluch.«
Romina nickte. »Du bist nicht nur ein Vampir, sondern auch ein Dämon, der in einem anderen Körper lebt. Ich kann darumnicht sagen, was das Schicksal für dich bereithält und ob du irgendwann mehr zum Vampir, zum Menschen oder Ungeheuer werden wirst.«
Sie nahm meine Hand und blickte nun, um darin zu lesen, lange hinein. Das Grauen, das sie schaute, ließ sie erbleichen.
»In den Linien deiner Hand sehe ich drei Leben und ein schreckliches Ende. Mir graut ein wenig vor dir und ich
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