Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
und ich schmolz unter dem Blick seiner braunen Augen, und mein Widerstand gerann zu einem kautschukartigen Entgegenkommen.
»Ich spinne halt ganz gerne einmal, vielleicht sollte ich Schriftstellerin werden, mir kommen oft die abstrusesten Ideen, was die Leute sicherlich erheitern könnte.«
Nun lachte er befreit auf. »Das solltest du wirklich machen, Estelle, Geschichten schreiben oder Gedichte wie unser Freund Georg Heym. Man interessiert sich ja neuerdings auch dafür, wie Frauen unsere Welt sehen und gestalten würden. Sogar das Wahlrecht für sie wird ja schon diskutiert. Mach es, schreibe auf, was du für unsere Zukunft erträumst, und du wirst ganz bestimmt berühmt.«
In solchem Enthusiasmus war er wie Friedrich und ich verstand darum die Männerfreundschaft zwischen den beiden.
Dennoch machte es mir Sorgen, dass er sich offenbar sogar nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, ein Vampir zu werden. Wie furchtbar wäre es, wenn er mich eines Tages für meine Tat verfluchen würde.
Während Friedrich von allem Anfang an meine Lebensträume vorbehaltlos mitträumte, unterschätzte Amadeus meine Ernsthaftigkeit im Bezug auf ihre Verwirklichung vollkommen. Vermutlich hing es mit seiner Herkunft aus dem Adel und dem trotz seiner emanzipatorisch klingenden Worte anerzogenen konservativen Frauenbild zusammen.
Ich ließ das alte Gutsbüro von Mathias öffnen und sah mit Hansmann, der ja ein Geschäftsmann und Buchhalter war, gelegentlich seiner Besuche die alten Bücher und Lohnlisten durch. Dabei stellten wir fest, dass mit der Pferdezucht gutes Geld verdient worden war, und weil Blankensee über endloses Weideland verfügte, beschloss ich Pferde anzuschaffen und eine neue Zucht zu beginnen. Als ich Gertrud, die mich öfter noch als Hansmann mit ihren Kindern wegen der guten Luft auf dem Lande besuchen kam, von diesen Plänen erzählte, war sie sofort bereit, einen Teil ihres Vermögens in das Unternehmen zu stecken, und Amadeus, dem das Tageslicht erstaunlicherweise noch immer nichts ausmachte, fuhr zu mehreren Pferdeschauen, um dort gute Rassepferde einzukaufen, denn davon verstand er etwas. Schließlich hatten die von Treuburg-Sassens selbst einmal im Ostpreußischen ein Gut besessen und edle Rassepferde gezüchtet. Leider war sein Herr Vater der Spielsucht erlegen und hatte die Familie um Hof und Heim gebracht, sodass Amadeus nun mittellos, wie manch anderer Adeliger auch, sein Heil allein im Militärdienst sah, wo ihm zumindest eine Offizierskarriereangemessene Beschäftigung bot und das nötigste Auskommen sicherte.
»Du verzichtest meinetwegen auf eine reiche Heirat«, hatte ich einmal gescherzt. »Selbst Hansmann hat sich mit Gertrud einen dicken Fisch an Land gezogen. Ein schöner Mann wie du und noch von Adel sollte doch eine ähnlich gute Partie machen können.« Er hatte mich wie so oft nicht ernst genommen und letztlich war ich froh darüber, auch wenn ich ehrliches Verständnis für eine wohlhabende Verehelichung seinerseits aufgebracht hätte. Das Herz gebrochen hätte es mir allerdings doch! Und als er sagte: »Du kannst damit scherzen, weil du meiner so felsenfest sicher sein kannst«, da gab ich ihm recht und war froh, dass er meiner dummen Idee so klar widersprochen hatte.
Utz hielt sich oft in den Kolonien auf und hatte darum Hansmann – und einen großen Teil von Gertruds Vermögen – in seine Bank aufgenommen. Das Geld legte er für uns nicht nachvollziehbar an und Hansmann machte er zu seinem persönlichen Assistenten, damit er einen Vertrauten vor Ort hatte, der ihn mittels des Telegrafen über alle Transaktionen seiner Geschäftspartner auf dem Laufenden hielt.
»Er ist ein recht misstrauischer Mensch«, meinte Hansmann, der sich auf diesem neuen Posten sehr wichtig vorkam.
Dass Utz auf diese Weise doch noch trickreich an Gertruds Mitgift gekommen war, die sie ihm eigentlich nicht anvertrauen wollte, zeugte nur von seiner Geschäftstüchtigkeit und einer gewissen blauäugigen Dummheit in Finanzangelegenheiten bei Hansmann. Selbst Vanderborg war davon nicht entzückt und hoffte nur, dass das gut gehen möge.
Für mich aber begann nach der Abreise von Utz und Radke in die Kolonien eine glückliche Zeit. Ja, ich kann sagen, es war die glücklichste Zeit meines Lebens, in der sich meine Liebe zu Amadeus festigte und wir gemeinsam Amanda heranwachsen sahen.
Sie war ein sehr energisches kleines Persönchen mit einem starken Entdeckertrieb, voller Neugier auf alles, was die Welt ihr
Weitere Kostenlose Bücher