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Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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heilt.«
    Ich biss mir auf die Lippen, weil ich mal wieder meine Zunge nicht im Zaum hatte halten können. Friedrich in einem solchen Zusammenhang nur zu erwähnen, war für Vanderborg immer noch, als wedele man ihm mit einem roten Tuch vor Augen herum, wie es die Toreros im fernen Spanien in der Arena machten, um die Stiere zu reizen.
    »Ich habe Erkundigungen über Karolus Utz eingezogen«, sagte er, um von dem heiklen Thema Friedrich abzulenken. »Er ist ein angesehenes Mitglied in der Deutschen Kolonialgesellschaft und finanziert fast alle größeren Geschäftsaktivitäten in Deutsch-Südwestafrika. Der Kaiser sieht in den Kolonien einen der lukrativsten Zweige der deutschen Wirtschaftsentwicklung, ja den Anfang für einen Welthandel.«
    »Aber sie beuten die Neger aus und behandeln sie wie Sklaven. Man raubt ihnen nicht nur ihre Bodenschätze, sondern auch ihre nationale Identität! Das jedenfalls hat der Reporter in der Illustrierten Zeitung geschrieben, der aus den Schutzgebieten berichtet hat!«
    Wieder biss ich mir auf die Unterlippe, diesmal so hastig, dass ich spürte, wie etwas Blut hervorquoll. Ein Zittern durchlief mich und das Glas, welches ich soeben auf dem Tisch absetzen wollte, rutschte mir aus der Hand und fiel zu Boden, wo es klirrend zerbrach.
    Vanderborg starrte entsetzt auf die Scherben.
    »Das bringt Unglück«, sagte er und sah mich misstrauisch an. »Du hintertreibst mit Absicht meine Bemühungen, dir einen passenden Mann zu finden, damit du nicht dein Leben lang deiner Familie auf der Tasche liegen musst. Das ist undankbar, Estelle.«
    Er wirkte bei den letzten Worten seltsam niedergeschlagen, was ich nicht wirklich verstehen konnte.
    »Ich bin neunzehn Jahre, Vater! Also noch weit entfernt davon, eine alte Jungfer zu werden. Warum kann ich nicht noch etwas warten?«
    Vanderborg erhob sich seufzend aus dem Sessel. »Weil zum Warten keine Zeit mehr ist.« Er ging mit schleppendem Schritt und gebeugtem Rücken zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal herum und sagte: »Utz kommt morgen zu einer Besprechung zu mir, wir möchten anschließend wieder ein kleines Essen nehmen. Kannst du es mit der Köchin arrangieren?«
    Ich nickte. Natürlich konnte ich das.
    »Nur Ihr und Utz?«, fragte ich.
    »Der Große Pilati wird ebenfalls unser Gast sein und lass Hansmann nicht aus, er hat einen Narren an Utz gefressen und wird ihn mit Gesprächen über die Kolonien bei Laune halten.«
    Die Tür war schon fast geschlossen, als er sie noch einmal aufstieß und ergänzte: »Und decke auch für dich mit ein, Herr Utz bat ausdrücklich um deine Gesellschaft.«
    Wie es schien, kam ich aus der Sache nicht mehr heraus.
    Dabei war Utz fast zwanzig Jahre älter als ich. Nicht dass solche Altersunterschiede bei Eheschließungen nicht durchaus üblich waren, aber nach dem Ball der Magier, bei dem ich mit so vielen jungen Männern hatte tanzen können, kam Utz mir vor, als wäre er Methusalem! Und wer wollte den schon heiraten? Ich jedenfalls nicht.
    Doch es führte trotz meines Widerwillens kein Weg daran vorbei, und als ich von der prekären finanziellen Lage Vanderborgs erfuhr, schien es auch mir die einzige Chance, den völligen Bankrott abzuwenden.
    Nach dem nächsten Essen mit dem Großen Pilati hielt Utz tatsächlich bei Vanderborg noch einmal formell um meine Hand an, und da dieser sein Einverständnis gab, erhob er sich, als es an der Tür klingelte, und nahm wenig später vom Dienstmädchen einen Strauß mit roten, langstieligen Rosen entgegen, die er mir mit einer formvollendeten Verbeugung überreichte.
    »Verehrtes Fräulein Estelle, nun, wo ich die Einwilligung Eures Vaters endlich erlangt habe, wage ich es, Euch zu fragen, ob Ihr meinen Antrag annehmen wollt. Es wäre mir eine Ehre und Freude, auf dem Maskenball in meinem Hause unsere Verlobung der Berliner Gesellschaft bekannt zu machen.«
    Ich war überwältigt, bat aber dennoch um Bedenkzeit, die mir auch ohne Umschweife zugestanden wurde.
    Offenbar war Utz sich sehr sicher, dass ich seinen Antrag nicht zurückweisen würde, und nachdem mir Vanderborg seine finanzielle Notlage schonungslos offenbart hatte, verstand auch ich seine diesbezügliche Selbstsicherheit.
    Vanderborg hatte für den Bau der Maschine, mit der er Vampire in den Karpaten fangen wollte, und für dieReisekosten einen beträchtlichen Vorschuss vom Großen Pilati erhalten, der dieses Geld bei Utz gegen Schuldverschreibungen selbst geliehen hatte. Durch den Misserfolg des

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