Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
zierten die teilweise mit leicht schimmeligen Stofftapeten bezogenen Wände. In der Beletage waren jedoch die meisten Räume mit Holzvertäfelungen und Parkett ausgestattet, die gut geölt der Feuchtigkeit getrotzt hatten und mit nicht allzu viel Aufwand wieder ansehnlich herzurichten waren. Doch es blieb absehbar, dass ich nur einen kleinen Teil der fünfzehn Zimmer würde nutzen können.
Ich suchte mir den Ostflügel aus, weil dort ein Teil der Räume komplett nach Norden lag, wodurch sie erfreulicherweise nie von der Sonne berührt wurden. Das verstand meine neu engagierte Dienerschaft allerdings gar nicht, wo doch in ihren Augen der Westflügel so viel heller und freundlicher war. Ich erklärte ihnen, dass ich wegen meiner Lichtempfindlichkeit das Sonnenlicht zu meiden hatte und nur in abgedunkelten Räumen leben könne, weshalb es für mich lebenswichtig sei, dass die schweren Vorhänge immer zugezogen sein müssten, wenn ich einen Raum betrat. Sie reagierten mit viel Verständnis und versprachen, stets an mein Leiden zu denken und alles zu tun, um mir das Leben zu erleichtern und angenehm zu machen.
Wegen der absoluten Alleinlage des Gutes bestand ich darauf, dass Knecht und Magd auf dem Gut bei mir im Hause logierten, während ich der Haushälterin gestattete,weiter bei ihrer Familie im Dorf zu wohnen, wenn sie nur jeden Morgen pünktlich um sieben Uhr ihren Dienst antrat. Was dann auch reibungslos funktionierte.
Sie hieß Käthe und war eine gestandene Frau von etwa vierzig Jahren, die sich in der Hauswirtschaft durch eine eigene große Familie bestens auskannte. Auch hatte sie schon in jungen Jahren als Magd den Vorbesitzern auf dem Gut gedient und war also mit den Verhältnissen bestens vertraut. Sie brach sofort in großes Bedauern darüber aus, wie heruntergekommen das schöne Anwesen doch sei, und so glaubte ich, dass sie genau wie ich ein echtes Interesse daran haben müsste, dem Gut wieder etwas von seinem alten Glanz zurückzugeben. Sie empfahl mir Margarete, von uns bald nur Gretchen genannt, als Dienstmagd, die ich dann auch einstellte, was sich als eine gute Wahl erwies. Sie war fünfzehn Jahre und das vierte von sieben Kindern eines Landarbeiters, und ihr Verdienst war für die Familie so wertvoll, dass sie alles mir zuliebe tat, um nur ja diese Stellung zu behalten.
Auch der Kutscher Mathias, ein hübscher Bursche von siebzehn Jahren, war mir von Käthe empfohlen worden.
Er hatte durch den Tod des Hufschmieds seine Lehrstelle verloren und war glücklich, seine Fähigkeiten im Beschlagen von Pferden in die Position als Kutscher, Stall- und Hausbursche bei mir einbringen zu können. Er erwies sich als ausgesprochen tierlieb, und als ich ihn fragte, wo man einen Hund erwerben könne, der mich nachts ein wenig bewachte, da brachte er einen gut erzogenen Deutschen Schäferhund und zimmerte ihm eigenhändig eine Hütte.
Mir hätte also nichts Besseres passieren können.
So heruntergekommen Gut Blankensee auch war, es befreite mich von den ständigen Kontrollen durch Utz undich konnte mir zum ersten Mal in meinem langen Dasein ein eigenes Heim und ein eigenes Leben einrichten.
Nach dem gründlichen Hausputz und kleineren Renovierungsarbeiten suchte ich mir von den verbliebenen Möbeln einige aus, die, gesäubert und neu gestrichen, meine Räume wohnlich machten. Einen wunderbaren Teppich spendierte mir Vanderborg und für das Schlafzimmer schickte mir Gertrud durch Friedrich Bettzeug und feinste Wäsche, die sie garantiert aus ihrer eigenen Aussteuer genommen hatte. Ich hätte sie dafür umarmen können. Das Schönste aber war, dass ich mir in dem ehemaligen Herrenzimmer endlich den Traum eines eigenen Studierzimmers mit Bibliothek und Schreibtisch erfüllen konnte, so ähnlich wie Agnes es gehabt hatte und wie ich es ansatzweise mit dem Bureau in meinem Zimmer bei Vanderborg in der Brüderstraße vorgefunden hatte.
Agnes, wie oft dachte ich an sie, während ich die noch vorhandenen Bücher abstaubte und die Bleiverglasung der Bibliotheksschränke wischte und zum Glänzen brachte.
Es war im Frühjahr des Jahres 1848, als ich, wieder einmal meinem Instinkt folgend, nach Baden kam, wo heller Aufruhr gegen die Fürsten herrschte, dem ich mich nur anschließen konnte. Unter ihrer Knute stöhnte ganz Europa und seit dem letzten Jahr war die wirtschaftliche Lage so verheerend geworden, dass Hunger und Krankheit die unteren Stände bis auf den Tod quälten. Ich selbst schlug mich mehr schlecht als
Weitere Kostenlose Bücher