Die dunkle Chronik der Vanderborgs - Estelle
dermaßen heruntergekommen war, hätte ich nun doch nicht gedacht. Außer einem senilen Faktotum von einem Hauswart gab es kein Personal, und da offenbar seitEwigkeiten niemand mehr dort gewohnt hatte, waren die Räume feucht und klamm und entsetzlich verstaubt, wobei die Dunkelheit uns vermutlich noch gnädig das Schlimmste verbarg.
Vanderborg tobte. »Das ist nicht Euer Ernst«, schimpfte er, »das Haus ist völlig unbewohnbar. Ihr wollt doch Eure junge Ehefrau nicht in einer solchen Bruchbude alleine und ohne Personal hausen lassen!« Er ergriff mich bei der Hand und zerrte mich zur Kutsche zurück, dabei knurrte er: »Du kommst mit zu mir nach Hause. Wenn der Herr Utz möchte, dass du hier wohnst, dann möge er zunächst einmal dafür sorgen, dass hier menschenwürdige Wohnverhältnisse herrschen.«
Damit schob er mich in die Kutsche, stieg hinterher und knallte den Wagenschlag zu, der allerdings sofort von Utz wieder aufgerissen wurde.
»Für eine Ehebrecherin wie Eure Tochter ist es noch tausendmal zu gut!«, schrie er jede Contenance außer Acht lassend.
Woraufhin Vanderborg mich so entsetzt anstarrte, dass ich nur den Kopf schütteln konnte, um ihn zu beruhigen. Irgendwann würde ich es ihm beichten müssen, aber jetzt war gewiss nicht die richtige Zeit und nicht der richtige Ort. »Er ist hysterisch, hört nicht auf ihn, Vater«, zischelte ich ihm darum nur zu.
Derweil tobte Utz weiter: »Entweder sie bleibt hier oder ich lasse sie während meiner Abwesenheit in ein Kloster sperren, damit sie mir nicht noch einmal die Treue bricht!«
Ich zuckte zusammen. Wenn er diese Idee wahr machte, war ich verloren! Unter dem Kreuz würde ich tödliche Qualen erleiden, und sobald eine der Ordensschwestern auch nur den Verdacht hegte, dass in mir ein Vampirsteckte, würde man mich gewiss einem Exorzismus unterziehen, der mich vielleicht sogar mein Leben kostete.
Ich erinnerte mich mit Schrecken daran, wie ich auf der Flucht vor einem Miroslav Przytulek Zuflucht in einem Kloster gesucht hatte und dort höllische Qualen erdulden musste. In ein härenes Büßergewandt gekleidet zwang man mich mehrmals täglich das Kreuz zu küssen, wobei mein Körper stets in Krämpfen zuckte und ich schließlich mit Schaum vor dem Mund halb entseelt vor der Äbtissin auf dem Steinfußboden liegen blieb.
Da war es für alle Nonnen offensichtlich, dass ich verhext oder des Teufels war. Um den Satan aus mir herauszutreiben, warf man mich in einen Zuber mit eiskaltem Wasser und tauchte mich so lange unter, dass ich fast ertrank, und kaum glaubte ich, mich von den Qualen in meiner kargen Zelle erholen zu können, riss man mir mein raues Gewand vom Körper und befahl mir, mich selbst mit einer Geißel zu schlagen, bis mir das Blut vom Rücken tropfte. Als ich aber kein Blut mehr hatte und nur noch schwarzes Wasser aus meinen Wunden lief, war es für sie erneut ein Zeichen, dass ich kein Mensch mehr war, sondern von einem Dämon oder gar dem Teufel besessen war. Und so verstärkten die barmherzigen Schwestern, um des Heils meiner unsterblichen Seele willen, wie sie sagten, ihre Folter, mit der sie den Satan aus mir heraustreiben wollten, doch eine mitleidige Novizin schmuggelte mich versteckt unter der Plane eines Bauernkarrens aus dem Kloster. Es war eine für uns alle hochriskante Flucht, aber sie glückte. Ich brauchte jedoch Wochen, um wieder zu Kräften zu gelangen, und erst nach mehreren Blutmahlzeiten war ich in der Lage, zu Miroslav von Przytulek zurückzukehren und ihn vom Leben zum Tod zu befördern, indem ich ihn von den Zinnen seiner Burgauf die Pfähle stürzte, die als Bollwerk gegen Angreifer gedacht waren. Nun steckte er darauf, und es war wahrlich kein schöner Anblick, wie die Krähen ihm die Augen, die Zunge und die Eingeweide aus dem Leib hackten.
Um solche Klosterqualen nicht noch einmal erdulden zu müssen, versuchte ich Vanderborg zu besänftigen, stieg aus der Kutsche und erklärte Utz, dass ich bleiben würde, wenn er mir noch am selben Abend eine Dienstmagd und einen Knecht besorgen würde, die mir wenigstens ein Zimmer bewohnbar machten und mit mir die Nacht auf dem Gut verbringen würden.
»Ab morgen werde ich mich dann selber nach Personal umsehen. Ich nehme an, dass es auch in Eurem Interesse ist, wenn ich das Gutshaus ein wenig instand setze. Wie wollt ihr es mit den Mitteln halten, die ich dafür benötigen werde?«
Utz starrte mich an wie ein ekelerregendes Stück Unrat, aber er zog seine Geldbörse
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