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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianka Minte-König
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ich Besseres tun können, nachdem meine Militärkarriere als gescheitert anzusehen war?«
    »Du musst dich nicht verteidigen, Friedrich«, meinte Amadeus sichtlich genervt und die Debatte leid. »Ich weiß, dass du immer ein Schöngeist warst und für das Militär gänzlich ungeeignet. Du hast doch die Offizierslaufbahn nur eingeschlagen, weil ich dich gefördert habe und weil du Estelle vergessen wolltest, die du mehr geliebt hast, als es für einen Bruder statthaft ist.«
    »Ich habe sie dir zugeführt, vergiss das nicht. Ich habe mich dabei so gründlich selbst verleugnet, wie es ein Mann nur tun kann, der liebt … unsterblich liebt!«
    Amadeus wandte sich ab. »Ich habe sie nicht weniger geliebt …«
    Ich sah, wie ihm förmlich das Herz bei diesen Erinnerungen blutete, falls man das von einem Vampir behaupten kann. Ich war mir sicher, dass er mich niemals so lieben würde. Trotz aller Beteuerungen wäre ich immer nur ein Ersatz für Estelle, an deren Einmaligkeit ich niemals würde heranreichen können – einfach schon deswegen nicht, weil er sie auf einen unglaublich hohen Sockel gehoben hatte und geradezu anbetete.
    »Und warum bist du dann nicht sofort nach dem Krieg zurückgekehrt und hast Estelle von deinem Überleben in Kenntnis gesetzt, statt sie bis an ihr Ende in dem Glauben zu lassen, dass du an der Westfront gefallen wärst? Wie konntest du so grausam sein? Sie war vollkommen verzweifelt – so verzweifelt, dass sie geradezu vor Schmerz versteinerte und ich mir keinen Ausweg wusste, als mich noch einmal in die Schlacht zu werfen. Hätte der Tod mich ereilt, so hätte ich ihn gerne angenommen.«
    Amadeus seufzte. »Mir ging es nicht anders, Friedrich. Ich hatte den Krieg in Frankreich überlebt. Am Ende nur noch bewusstlos vegetierend. Nach jener furchtbaren Schlacht an der Marne, bei der wir einen verzweifelten nächtlichen Ausfall versucht hatten, schleppte ich mich , als in der Morgendämmerung die Geschütze endlich schwiegen, über das Schlachtfeld. Die Uniform vom Leib gefetzt, Helm, Erkennungsmarke, Schuhe … alles fort, so als hätte es mir ein Riese mit zorniger Faust vom Körper gerissen. Die Druckwelle einer Explosion, nehme ich an, sie hattemich offensichtlich voll erwischt. Nichts als verbrannte Erde und Blut und Leichen um mich herum. Vollkommen orientierungslos taumelte ich durch das Zwielicht und schrie fast besinnungslos vor Schmerzen. Irgendwann brach ich zwischen den umgestürzten und zerschossenen Grabsteinen eines Friedhofs zusammen und machte mich zum Sterben bereit.«
    »Aber du warst ein Vampir. Du verfügtest genau wie ich über immense Selbstheilungskräfte«, warf Friedrich ein.
    Amadeus nickte. »Ja, objektiv stimmt das. Aber ich wusste es nicht mehr. Ich hatte vergessen, wer ich war. Alles, was ich vor diesem Granateneinschlag gewesen war, existierte nicht mehr. Die Erinnerung an mein gesamtes Leben war ausgelöscht. Ich war wie ein frisch auf die Welt gekommener Säugling …«
    Friedrich grinste nun wieder unernst und meinte erneut zynisch: »Aber du warst offenbar ein sehr begabter Säugling, jedenfalls hast du ja überlebt.«
    »Aber nur wegen Marie …«, sagte Amadeus leise.
    »Marie? Sieh an, sieh an, eine französische Marie hat den armen, verschollenen Amadeus gerettet. War das nicht Kollaboration und stand darauf nicht der Tod durch standrechtliche Erschießung?«
    Nun wurde Amadeus zum ersten Mal ärgerlich. »Das ist nichts, worüber du dich lustig machen müsstest, Friedrich! Marie hat in der Tat für mich ihr Leben aufs Spiel gesetzt.«
    »Du wirst es ihr gewiss gedankt haben. Lass mich raten …«
    Amadeus fiel ihm erneut ins Wort und war nun richtig wütend. »Hör auf, Friedrich. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig, schon gar nicht auf diese Art!«
    Friedrich gab nicht nach, offenbar hatte er sich in New York, wo auch verbal mit härteren Bandagen gekämpft wurde, einen sehr viel aggressiveren Gesprächsstil zugelegt. »Das stimmt, mir bist du sie nicht schuldig, obwohl auch ich gerne erfahren hätte, dass du noch lebst. Dein vermeintlicher Tod war auch für mich ein schrecklicher Verlust. Er warf mich monatelang nieder und verfolgte mich noch nach Jahren, weil ich mich immer wieder fragte, wo du geblieben warst, warum man nur deine Erkennungsmarke gefunden hatte und sonst keine Spur. Es wäre fair gewesen, uns zumindest nach dem Krieg von deinem Überleben in Kenntnis zu setzen.«
    Er redete jetzt im Plural, sprach offensichtlich für Estelle mit

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