Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
heute ein Katzensprung.«
Klara nickte. »Du brauchst übrigens keine Angst zu haben … Wir führen ein paar Blutkonserven im Gepäck mit und für den äußersten Notfall auch Blutersatzstoffe. Eine gewisse Zeit können wir damit überbrücken. Leider ist beides kein dauerhafter Ersatz für eine richtige Mahlzeit. Zudem sind diese Dinge ein recht teures Vergnügen, wenn man sie legal erwerben muss. Dabei ist New York auch so schon ein teures Pflaster.«
Ich fand es faszinierend, wie sie so selbstverständlich darüber plauderte, als würde sie mir von ihrer neuesten Diät erzählen oder der letzten Cocktailinnovation in ihrem Club.
»Dennoch, wir sind in New York heimisch geworden. Wenn Friedrich seine … äh … seine Mission hier beendet hat, werden wir wieder zurückfliegen. New York hat Friedrich verändert. Er ist immer noch sehr sensibel und kunstsinnig und liebt einen generösen Lebensstil, aber er ist härter geworden, durchsetzungsfähig. Er hat zweifellos Führungsqualitäten und er entwickelt inzwischen Ehrgeiz. Er träumt davon, die Clans von New York zu befrieden und in einer einzigen Organisation zu vereinen.«
Ich dachte daran, was ich über Friedrich in Estelles und Amandas Aufzeichnungen gelesen hatte. Friedrich, der liebende und dienende Bruder, der Pazifist und Friedenskämpfer… Nun sollte er wie ein Mafiaboss unter Vampiren herrschen wollen?
»Das wird wohl nicht ganz friedlich abgehen«, sagte ich aus diesen Gedanken heraus.
Klara nickte. »Nun ja, es wird sicherlich ein paar Kämpfe kosten, vor allem aber Geld.« Sie räusperte sich. »Deswegen sind wir unter anderem auch hier, aber lass dir das besser von Friedrich erklären.«
Ich schaute sie wohl etwas perplex an, denn sie erhob sich und fragte wahrscheinlich mehr aus Höflichkeit, wo denn das Zimmer von Friedrich sei? »Ich würde mich gerne ein wenig frisch machen.«
Es war offensichtlich, dass sie befürchtete, zu viel gesagt zu haben, und nun das Gespräch abbrechen wollte, ehe ich Details zu ihrer Äußerung erfragen konnte. Nun ja, dachte ich, wenn sie hier in Deutschland irgendwo eine Geldquelle haben, warum sollten sie die nicht anzapfen?
»Komm«, reagierte ich also recht locker, »es hat sich nichts verändert, aber ich bringe dich gerne hin.«
Ich selbst zog mich ebenfalls in mein Zimmer zurück und grübelte darüber nach, was nun geschehen sollte. Ich konnte Marc nicht ewig hinhalten, und wenn ich länger hierblieb, würde er bestimmt über kurz oder lang aufkreuzen. Sollte ich ihn mit meiner vampirischen Verwandtschaft bekannt machen? Eigentlich hatte ich das ja nicht eingeplant, denn nach wie vor war ich entschlossen, Amadeus und das Gut seinem Schicksal zu überlassen.
Aber das war leichter gedacht als getan. Es klopfte nämlich an meiner Tür, und als ich »Herein!« rief, stand Amadeus im Türrahmen.
»Ich freue mich, dass du geblieben bist«, sagte er mit seiner sanften Stimme, die ich so liebte.
»Nicht deinetwegen«, gab ich zurück, um sofort jede falsche Hoffnungen in ihm zu zerstören.
Er räusperte sich verlegen. »Ja, dann … Möchtest du auch in den Salon kommen? Friedrich würde dich gerne näher kennenlernen.«
Hoffentlich nicht zu nah, dachte ich und spürte ein Kratzen im Hals. Ich glaubte nämlich, dass er mich bei unserer ersten Begegnung schon recht appetitlich gefunden hatte.
»Er wird sich aber beherrschen können und mich nicht beißen?«, fragte ich daher sicherheitshalber.
Amadeus lächelte. »Friedrich ist ein zivilisierter und kultivierter Vampir. Er hat seine Triebe selbstverständlich unter Kontrolle.«
So schien es mir vorhin zwar nicht, war aber gut zu wissen.
Ich folgte Amadeus und fand im Salon zwei ausgesprochen entspannte Verwandte vor. Aus der Chronik wusste ich, dass Friedrich der Bruder von Estelle war und Klara in der Weimarer Zeit kennengelernt hatte. Die beiden hatten also auch schon einige Jährchen auf dem Buckel, die man ihnen aber kein bisschen ansah. Friedrich hatte an einem Antikriegsmuseum mitgearbeitet und Klara mit Amanda zusammen in der Gewerkschaftsbewegung. Sie hatten sich unter anderem gegen den § 218 engagiert, um Frauen das Recht zu verschaffen, selbst über eine Schwangerschaft zu entscheiden. Klara hatte recht bald zu Friedrich eine große Zuneigung gefasst, während der ohne Amandas deutliche Hinweise vermutlich nie in die Gänge gekommen wäre. Als er sich Klara dann endlich näherte, war er inzwischen dermaßen wild auf sie, dass er sich nicht
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