Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
hatte Marc noch in der Nacht eine SMS geschrieben: Wir übernachten in Potsdam. Was ja der Wahrheit entsprach, ihn aber gewiss an nichts Böses denken ließ, da er annehmen würde, dass wir bei meiner Mutter wären. Der hatte ich allerdings gar nichts erzählt. Sie wäre nur völlig unnötig beunruhigt worden.
Marc hätte ich die Sache auch gerne verschwiegen, aber Isabell plauderte natürlich mit ihrem überschäumenden Mitteilungsbedürfnis gleich wieder alles aus. So war er höchst alarmiert, zog mich dann später in seine Arme und überschüttete mich mit Trost und Zärtlichkeit.
Als er am späten Abend noch einmal bei mir klopfte, konnte ich ihn nicht zurückweisen, sondern ließ mich von seiner Lust und Liebe, die mich wie ein schützender Kokon umgaben, willig einhüllen und in eine bessere Welt entführen. Allerdings rissen mich meine Rückenverletzungen mehr als einmal zurück ins schmerzhafte Hier und Jetzt. Da half es auch nichts, dass Marc sich um besondere Vorsicht bemühte. Blümchensex war nun mal nicht mein Ding.
»Waren es die gleichen Typen, die damals schon am See über dich herfallen wollten?«, fragte er, als wir später erschöpft und entspannt nebeneinanderlagen – ich allerdings auf dem Bauch.
Sofort stand die kalte Realität wieder neben unserem Bett. Aber da ich ihr wohl im Moment nicht dauerhaft entfliehenkonnte, antwortete ich ihm wahrheitsgetreu: »Ja, aber diesmal waren es drei. Ihr Anführer, er heißt Utz, war auch dabei … Ich bin mir sicher, dass auch unsere Freunde auf Blankensee ihre Opfer wurden.« Und weil Werners Theorie für Marc sicher ganz plausibel klang, teilte ich sie ihm der Einfachheit halber ebenfalls mit. »Kommissar Werner hat mir übrigens berichtet, dass Stefan und Thomas gar nicht im Salon direkt neben mir getötet wurden, sondern vermutlich bei dem Hünengrab. Man hat sie später wieder zurückgebracht und dort abgelegt. Dabei müssen sie sehr leise vorgegangen sein, was erklären würde, warum ich nicht aufgewacht bin. Er meint, sie zelebrierten dort schwarze Messen. Das Megalithgrab wäre für die so eine Art Kultstätte.«
»Willst du damit sagen, dass er glaubt, die Leute seien Mitglieder einer Satanistensekte?«
»Ja, das scheint er ernsthaft anzunehmen«, sagte ich leise und glaubte es in diesem Moment fast selber.
Werners Theorie war ja auch so weit ganz stimmig. Im Gegensatz zu mir wusste er lediglich nicht, dass er es mit mystischen Wesen zu tun hatte. Mit Vampiren und Werwölfen! Ich allerdings würde es ihm garantiert nicht sagen. Sollte er doch versuchen, Utz und seinen Spießgesellen zunächst mal auf seine Art das Handwerk zu legen.
Zwar zweifelte ich an seinem Erfolg, aber wie heißt es so schön: Das Glück ist mit dem Tüchtigen. Und was das anging, hatte er bei mir durch seine letzte Aktion ganz gut gepunktet.
L
eider tat sich jedoch in der nächsten Zeit rein gar nichts.
Die Hitze hing weiter wie eine Käseglocke über Berlinund Isabell und ich schwitzten gemeinsam bei den Musicalproben. Marc saß tagsüber in der Uni an seiner Doktorarbeit, und wenn wir abends aus dem Theater kamen, fuhren wir meistens hinaus an den Wannsee, um zu baden.
Allerdings war es für mich jedes Mal sehr frustrierend, zwischen den Hunderten von Menschen nach einem freien Fleckchen für unsere Handtücher zu suchen und dabei gleichzeitig an die beschauliche Idylle des Blankensees denken zu müssen, den wir jetzt ganz für uns alleine hätten. Und dann stieg der Ärger in mir auf, und ich fragte mich, was Amadeus, Friedrich und Klara dort nun wohl trieben. Es war schon ungerecht, dass sie sich auf meinem Gut breitmachten und das geheime Gewölbe einfach okkupierten! Aber beim Gedanken an Amadeus war mir zugleich bewusst, dass ich überhaupt nicht in der Lage war, nach Blankensee zurückzukehren, solange mich jeder Gedanke an ihn noch schmerzte. Es tat so unsagbar weh, seine Träume zu verlieren!
Ich kam einfach nicht darüber hinweg, dass er mit Estelle ein Kind gezeugt hatte … und dass die beiden es Utz hatten unterschieben wollen. Aber der war natürlich nicht dumm und hatte eins und eins zusammengezählt. Er hatte Amanda offenbar nie wirklich anerkannt, denn sonst hätte er sie niemals auf seiner Burg derartig pervers foltern können.
Schade, nun würde auch ich nicht erfahren, ob ich mit Amadeus verwandt war. Denn obwohl er grundsätzlich mit einer erbbiologischen Vaterschaftsbestimmung einverstanden war, müsste ich ja zumindest eine
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