Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
Speichelprobe oder Ähnliches von ihm haben.
»Woran denkst du?«, fragte Marc.
»An einen Vaterschaftstest.«
Er setzte sich abrupt auf. »Wie bitte? Willst du damit sagen …«
Ich fiel ihm sofort ins Wort. »Nein, nein Marc, es geht nicht um uns. Es geht überhaupt nicht um die Gegenwart. Ich habe lediglich überlegt, ob es möglich ist, nachträglich noch festzustellen, wer jemandes Vater war … auch wenn die betroffenen Personen nicht mehr leben, sondern nur noch Nachkommen von ihnen.«
»Warum interessiert dich das? Hat es einen persönlichen Grund?«
Ich nickte und erzählte ihm die halbe Wahrheit. »Es geht letztlich darum, ob meine Erbansprüche berechtigt sind … Das Gut gehörte einem Karolus Utz, und wenn Amanda nicht seine Tochter war, steht uns das Gut vielleicht überhaupt nicht zu, sondern ihm oder seinen Erben. Ich würde das gerne klären, ehe ich es zum Verkauf anbiete … und jetzt, wo die Verwandten gerade da sind, bietet es sich natürlich an.«
Das leuchtete Marc ein. »Aber wenn es dir zusteht, dann wirst du es doch behalten … oder?«
Ich zuckte die Schultern. »Vielleicht … keine Ahnung … weißt du, wo man so einen Test machen lassen kann?«
Marc lachte. »Ich habe einen Kumpel, Björn, der arbeitet im Institut für Zellbiologie. Ich könnte mir denken, dass der so eine Bestimmung auch machen kann.«
Eine seltsame Erregung ergriff mich plötzlich. »Wirklich, das könnte er? Meinst du, er würde es auch tun?«
»Soll ich ihn fragen? Er hängt genau wie ich jeden Tag wegen seiner Doktorarbeit in der Uni ab. Ich könnte ihn morgen kontaktieren.«
Also war es abgemacht. Marc würde Björn fragen. Wenn der allerdings Ja sagte, hatte ich immer noch ein Problem:Wie kam ich an das Testmaterial, ohne zu Amadeus nach Blankensee fahren zu müssen?
Es regelte sich mal wieder fast wie von selbst.
An dem Abend, an dem Marc mir die Bereitschaft seines Kumpels mitteilte, den erbbiologischen Test durchzuführen, und sogar schon Wattestäbchen und sterile Reagenzröhrchen für die Speichelproben mitgebracht hatte, tauchte Amadeus in Berlin auf. Er hatte sich in die Abendprobe des Musicaltheaters geschmuggelt und passte mich danach im Garderobenflur ab. Dunkel und schweigsam stand er da und trat erst aus dem Schatten, als ich unmittelbar an ihm vorbeiging. Mich hätte der Schlag treffen können, so erschreckt hatte er mich.
Es tat ihm wohl selber leid, als er mich so panisch zusammenzucken sah, und er flüsterte mit seiner samtweichen Stimme. »Louisa, ich musste dich sehen … bitte … lass uns reden …«
Ich hatte mich relativ schnell wieder gefasst, und weil die Testutensilien gerade so passend in der WG lagen, lud ich ihn ein, mich und Isabell nach Kreuzberg zu begleiten.
»Aber du hältst deine Triebe unter Kontrolle«, zischte ich ihm zu. »Alle! Ist das klar?«
Er nickte ergeben und flüsterte zurück: »Glaubst du, ich bin ein Monster?«
»Man weiß es nicht«, erwiderte ich und schämte mich ein bisschen, weil ich so unfreundlich zu ihm war.
Ich machte ihn dann erst einmal mit Isabell bekannt, was diese völlig aus der Bahn warf. Als uns Amadeus in Friedrichs schickem Leihwagen zur WG fuhr, zischelte sie mir auf der Rückbank zu: »Woher kennst du den denn? Der sieht aber mal gut aus … Hast du was mit dem am Laufen?«
»Wie bitte?« Ich reagierte ziemlich ungehalten und musste mich richtig bemühen, leise zu sprechen. »Das ist lediglich ein Verwandter, der vorübergehend in Berlin ist und mich mal sehen wollte …« Damit sie in der WG später nicht irritiert auf den Test reagierte, erklärte ich ihr auch das. »Deswegen ist er eigentlich gekommen. Alle in der Familie, mich eingeschlossen, sind sehr daran interessiert, endlich die Abstammung einwandfrei nachzuweisen.«
Das konnte sie nachvollziehen und so durfte ich erwarten, dass gleich alles perfekt laufen würde. Umso mehr, als wir ungestört unter uns waren, weil Marc seinen Turnierabend im Schachclub hatte.
Die Sache mit dem Testmaterial kriegte ich auch problemlos über die Bühne, aber dann tauchte Sören auf, um Isabell auf einen Aperol Spritz abzuholen, und ich hockte plötzlich mit Amadeus allein in der WG-Küche. Sehr sinnig, wo ich ihn nicht mal bekochen konnte!
»Warum gehen wir nicht auch einen trinken?«, schlug ich vor und das gelbliche Glitzern in Amadeus’ Augen signalisierte mir sofort, dass das von ihm anders aufgefasst werden konnte, als ich es gemeint hatte. Also schob ich schnellstens
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