Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
nach: »Aperol, meine ich.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich trinke keinen Alkohol, wie du dir denken kannst.«
»Noch ein Grund mehr für mich, deinen Antrag abzulehnen. Ich bin süchtig danach.«
Aber er nahm mich natürlich nicht ernst. Er stand auf und trat hinter mich, schob meine Haare aus dem Nacken und hauchte mit seinen seidenweichen, kühlen Lippen einen Kuss darauf. Mir stellten sich alle Körperhärchen gleichzeitig auf, denn es war, als hätte mich ein elektrischer Schlag getroffen. Meinen ganzen Körper erfasste ein Vibrierenund jede Zelle schien daran beteiligt zu sein. Er strich über mein Haar, dann glitten seine Hände an meinem Hals entlang zu den Schultern, an ihnen herunter, sehr vorsichtig über den Rücken, als wüsste er von meinen Verletzungen, und schließlich trat er vor mich, zog mich vom Stuhl in seine Arme und bedeckte mein Gesicht mit Küssen.
Dabei stöhnte er unter dem gewaltigen Druck seiner Leidenschaft: »Liebe mich, Louisa, nur heute noch einmal … und dann entscheide … Ich weiß, dass wir füreinander bestimmt sind, und auch du wirst dir sicher sein, wenn wir einander ganz umfangen haben. Du musst dich nicht vor dem Blutkuss fürchten, denn was dir wie der Tod erscheint, ermöglicht dir das ewige Leben an meiner Seite.«
Ich stieß ihn zurück. »Du hast versprochen, niemanden in der WG zu beißen, das schließt mich natürlich ein!«
»Dann lass uns woanders hingehen«, sagte er mit einem frechen Grinsen.
Er schien sich seiner Sache ja sehr sicher zu sein. Aber ich musste mich hüten, ihn zu sehr zu verärgern. Man wusste bei Männern generell schon nicht, wie sie eine Zurückweisung beim Balzen wegsteckten, in Bezug auf Vampire war die Erkenntnislage noch begrenzter. Ich wollte auf keinen Fall eine negative Sublimation hervorrufen, denn das konnte nur ins Auge gehen. Aber schlafen wollte ich mit ihm auch nicht … schon gar nicht hier in der WG, wo ich mit Marc lebte und … eben das tat.
So überredete ich ihn schließlich doch, mit mir einen Spaziergang zu machen, denn schließlich war es eine warme Sommernacht und auch für ihn wie gemacht.
Er schnappte sofort nach diesem Köder und dirigierte mich sehr zielstrebig ans Spreeufer. Da saßen wir dannauf einer Bank und er erzählte mir gefühlig von den vielen Stunden, die er mit Estelle an einer ähnlichen Stelle verbracht hatte … Und es war genau das, was ich befürchtet hatte … Estelle würde als permanenter Schatten um uns herum sein, er würde nie aufhören, an sie zu denken … ja, weil ich ihre direkte Nachfahrin war, würde er vermutlich sogar versuchen, Estelle in mir wiederzufinden … Ähnlichkeiten an mir entdecken, sie begeistert preisen und mich dabei immer mehr meiner eigenen Persönlichkeit entfremden, bis ich quasi zu ihrem Klon mutierte. Es fing doch schon an, und ich hatte Fantasie genug, mir auszumalen, wohin es führen würde … zum Tod von Louisa und zur Auferstehung von Estelle!
Aber ich wollte nicht sterben. Ich sprang auf.
»Leb wohl, Amadeus«, sagte ich abrupt. »Ich werde jetzt gehen, und ich bitte dich, mir nicht nachzukommen. Wenn du meine Gedanken lesen kannst, wirst du wissen, warum ich gehe und dass dies ein Abschied für immer ist … und dass es mir damit bitter ernst ist. Leb wohl …«
Ich drehte mich um und ging mit raschen Schritten, ohne mich noch einmal umzusehen, davon.
Aber Amadeus eilte mir nach. »Louisa, bitte, bleib! Du siehst das alles ganz falsch … Du wirst nicht sterben … Estelle ist …«
Ich wollte nicht hören, was Estelle war. Ich wollte überhaupt nichts mehr hören, denn ich fühlte, dass ich am Ende meiner Kraft war und ihm kaum noch Widerstand entgegensetzen konnte, wenn er mich weiter bedrängte. Er hatte nichts von seiner sexuellen Anziehung für mich verloren, mein Körper fieberte ihm wie bei unserer ersten Begegnung entgegen, aber ich wollte nicht, dass Gefühl und Leidenschaft die Oberhand über mich und mein Handelngewannen. Lust und Begierde waren noch keine Liebe … Ich wollte mich davon nicht niederzwingen lassen! Es waren große Emotionen, aber sie waren nicht groß genug … sie reichten nicht zur bedingungslosen Liebe, in welcher der Einzelne sich ganz im Partner verliert und stirbt. Bei Estelle hatte das funktioniert. Sie und Amadeus, das war … Hingabe und Leidenschaft, Sehnsucht und Verzicht, Glück und Leid, Leben und Todesnähe und eine Liebe, die all das vom ersten Augenblick in sich trug …
Sie hatte das irgendwie
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