Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
Reifenprofil aufgrund von Aquaplaning fast in der Leitplanke gelandet. Lediglich der Seitenstreifen rettete mich.
Ich kroch also mehr oder weniger in Richtung Blankensee über die Autobahn, als Marc anrief. Der wollte mich doch tatsächlich kontrollieren. Das passte mir nun gar nicht.
»Wo bist du, Louisa?«, fragte er in einen grellen Blitz hinein, dem ein krachender Donner folgte. »Hast du den Kommissar informiert?«
»Äh … ja …«, stammelte ich, und weil ich nicht weiterwusste, kappte ich einfach die Verbindung.
Sollte er doch annehmen, das Unwetter wäre schuld. Ich würde mich später von Blankensee aus bei ihm melden. Jetzt musste ich ohnehin auf die Fahrbahn achten, wenn ich mein Leben nicht an einer Leitplanke aushauchen wollte.
Je näher ich Blankensee kam, umso unsicherer wurde ich, was meine Mission hier anging. Wie sollte ich meine Mutter aus den Klauen von Utz befreien? Ich hatte ja nicht einmal die leiseste Ahnung, wo er sich mit ihr befand.
Ohne meine vampirischen Verwandten würde ich nicht die geringste Chance haben. So konnte ich nur hoffen, dass sie mir helfen würden.
Ich wollte gerade auf die Autobahnausfahrt abbiegen, als mich ein wahnsinniger Motorradfahrer in einem vollkommen irrsinnigen Tempo überholte und fast abdrängte. War der noch zu retten, bei diesem Wetter dermaßen bescheuert hier langzuheizen?
Ich hatte das Gut erreicht und wollte gerade die Auffahrt hinauffahren, als mir ein mitten auf dem Weg stehendes Motorrad den Weg versperrte. Marc!
Ich konnte es nicht fassen. Dann war er offenbar der Irre gewesen, der mich eben überholt hatte. Ich hielt den Käfer an und brüllte sauer aus dem Fenster: »Was willst du hier? Geh aus dem Weg! Ich habe es eilig!«
Aber Marc dachte nicht daran. Er ließ die Maschine im strömenden Regen stehen und kam zu Fuß auf mich zu. Er rüttelte an der Tür.
»Mach auf«, brüllte er in den tosenden Sturm, und weil ich ihn ja nicht wirklich so klatschnass da stehen lassen konnte, öffnete ich ihm. Er sank triefend auf den Beifahrersitz.
»Los!«, verlangte er ziemlich sauer. »Rede, ich will jetzt endlich wissen, was für ein Spiel hier gespielt wird. Und glaub nicht, du kannst mich wieder beschwindeln. Ich habe diese halsbrecherische Fahrt nicht riskiert, um mir eine weitere Lüge anzuhören!«
Ich rang mit mir. Einerseits war ich von seiner Anwesenheit vollkommen überrumpelt, andererseits aber war ich auch gerührt, dass er sich für mich derart in Gefahr begeben hatte. Ich musste ihm tatsächlich etwas bedeuten …
Dennoch, so glücklich mich das auch machte, konnte und durfte ich Marc in die mystische Geschichte meiner Familie einweihen? Würde er nicht glauben, ich tischte ihm eine weitere Lüge auf ? Würde ich mich nicht vollkommen lächerlich machen? Aber wenn er mich so sehr liebte, dass er bei dieser halsbrecherischen Fahrt sein Leben riskiert hatte, dann musste er auch so viel Vertrauen zu mir haben, dass er mir glaubte, dass er mir abnahm, was normalerweise zu meiner Einweisung in die Psychiatrie geführt hätte.
»Wirst du mir glauben?«, fragte ich also. »Wirst du mir alles, was ich sage, glauben und nicht an mir und der Wahrheit dessen, was ich dir enthüllen werde, zweifeln?«
Er legte mir seine kalte, nasse Hand mit leichtem Druck auf den Oberschenkel, während er durch die Frontscheibe auf den immer undurchdringlicheren Regenvorhang starrte.
»Ich werde dir glauben, Louisa. Sprich.«
Wie sollte ich beginnen? Es war so schwer …
»Es … es ist eine Familienangelegenheit. Ich habe dir ja schon erzählt, dass es um meine Abstammung und das Recht auf Blankensee geht …«
Er drehte nun sein nasses Gesicht zu mir und sah mich fragend an. Den Helm hatte er abgenommen und seine Haare waren völlig verwuschelt. Ich fand, dass er wild und unheimlich attraktiv aussah.
»Es sind tatsächlich entfernte Verwandte zu Besuch … sehr entfernte … aus Amerika. Sicher erinnerst du dich an unser Telefonat an jenem Abend, als ich dir sagte, dass ich aus familiären Gründen noch eine Nacht auf Blankensee bleiben würde. Da standen nämlich völlig unerwartet mein Onkel Friedrich und seine Lebensgefährtin Klara vor der Tür, und … äh … Amadeus … ein … Freund des Hauses.«
»Was? Warum hast du das nicht längst gesagt? Wo sind sie jetzt?«
»Auf dem Gut.«
Marc wirkte erschüttert und hielt mich offenbar für eine ganz schlechte Gastgeberin.
»Wie konntest du, Loulu? Da kann doch niemand wohnen. Schon gar nicht
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