Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
dass meine Worte über das geheime Gewölbe der Wahrheit entsprachen, folgte er mir ohne Zögern.
»Wegen Friedrich«, erklärte ich aber doch, »da musst du dich nicht sorgen, es ist eine Art … äh … epileptischer Anfall. Nicht schlimm, bald wieder vorbei und vergessen.«
Marc nickte, und ich dachte, dass er mir im Moment wohl alles abgekauft hätte. Sogar die Wahrheit. Ob ich nicht doch …?
Später, dachte ich, verschieben wir es lieber auf später.
Ich wollte gerade die Tür zu meinem Zimmer öffnen, als Amadeus plötzlich hinter uns stand.
Seine Augen funkelten immer noch sehr irritierend, als er sagte: »Für Marc wäre das Zimmer von Conrad oder Lysander sicherlich sehr angenehm …«
Mir war klar, dass es für ihn unerträglich war, mich und Marc zusammen in einem Bett zu wissen, aber ich mochte andererseits auch nicht alleine schlafen und zugleich Marc nicht alleine lassen …
Dennoch wollte ich deswegen keinen offenen Konflikt provozieren und so stimmte ich ihm zu.
»Bringst du Marc hin?« Ich hoffte, er würde sich meines Vertrauens würdig erweisen.
»Das werde ich«, sagte er und ich wusste, dass es auch als Antwort auf meine unausgesprochene Frage gedacht war.
Ich lächelte ihm dankbar zu und er lächelte zum ersten Mal seit meiner Ankunft ebenfalls.
Später, als Marc längst schlief, saßen wir im Salon zusammen und beratschlagten, wie wir meiner Mutter helfen könnten.
»Hannah ist seit zwei Tagen in Utz’ Gewalt«, berichtete Friedrich, der sich nun wieder im Griff hatte. »Utz hat am Hünengrab sein Lager aufgeschlagen. Er hat einen großen Kahn auf dem See liegen, den er tagsüber im Schilf verbirgt. Darauf hält er Hannah gefangen. Ihm ist inzwischen offensichtlich bewusst geworden, dass du nicht die einzige Vanderborg bist, die noch lebt. Seine Rache wird deine Mutter darum genauso treffen wie dich. Lysette ist ihm nur entkommen, weil sie genau wie wir Deutschland und Europa verlassen hat.«
»Und was ist mit euch?«, fragte ich. »Ihr seid wieder hier!«
»Er weiß noch nichts von unserer Existenz«, sagte Amadeus. »Du weißt doch, wir können uns mental gegen ihn abschotten. Und hier unten sind wir absolut sicher, durch das Energiefeld, welches das geheime Gewölbe umgibt und nach außen den Eindruck erweckt, als wäre hier nichts.«
»Nichts?«
»Ja, keine Materie«, schaltete sich Friedrich nun ein. »Eine Art raffinierte Illusionsmaschine. Wirklich eine Meisterleistung meines Vaters Jakob Vanderborg.«
»Also besser als seine Vampirfangmaschine?«, fragte ich.
Friedrich lachte. »Zweifellos! Sehr viel besser.«
»Und ihr seid sicher, dass meine Mutter noch lebt?«
»Ja«, beruhigte mich Klara sofort. »Er benutzt sie als Lockvogel für dich. Noch hat er dich nicht in seiner Gewalt und braucht sie darum noch, weshalb sie unserer Meinung nach nicht in unmittelbarer Gefahr schwebt.«
Das sah ich allerdings ein wenig anders, denn was ich in der Chronik der Vanderborgs über seine perfiden Foltermethoden gelesen hatte, ließ mich das Schlimmste befürchten.
Aber Amadeus schien wieder meine Gedanken gelesen zu haben, denn er berührte mich sanft am Arm und sagte mit seiner dunklen, samtigen Stimme: »Fürchte dich nicht, Louisa, ich würde es sofort merken, wenn er ihr auch nur das kleinste Härchen krümmte. Du weißt, dass ich die Gabe dazu habe.«
Ich nickte, und Friedrich und Amadeus begannen, sich über Utz zu unterhalten.
»Er ist eine archaische Bestie«, sagte Friedrich. »Immer schon war er von einer urtümlichen Wildheit, ein Getriebener, nur in seinen Trieben lebend. Er sah sich selbst stets als das Maß aller Dinge und sein Ehrgeiz war immer auf Macht gerichtet. Macht über Geld und Gut, aber auch über Menschen. Was seine Grundbedürfnisse angeht, ist er atavistisch: Essen, Sex, Herrschen! Eine Urkraft, die auf das Überleben ausgerichtet ist. Er tötet, um dieses Ziel zu erreichen. Er vergewaltigt Frauen, er paktiert vermutlich selbst mit dem Satan, sonst wäre er nicht noch in den letzten Jahren ihrer Herrschaft so ein hohes Tier bei den Nazis geworden. Ich habe von New York aus Nachforschungen anstellen lassen und hatte gehofft, dass ihn der Krieg ebenfallsgefressen hätte … aber er hatte sich wie viele Nazigrößen nach Lateinamerika abgesetzt. Dort verlor sich seine Spur.« Er sah mich nachdenklich an. »Vermutlich hattet ihr deswegen eine so ruhige Zeit. Zu ärgerlich, dass er sich seiner alten Heimat erinnert hat.«
»Wie ihr ja auch«, warf
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