Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Louisa
ich ein.
Amadeus ergriff nun das Wort. Auch er zeichnete ein Bild von Utz, das vor meinen Augen ein Monster entstehen ließ.
»Ich habe diese Zeit ja nicht mitbekommen«, sagte er, »weil ich auf der Burg Przytulek in seinem Kerker gefangen lag, aber so wie Friedrich ihn schildert, so war Utz immer schon, herausfordernd und voller Ansprüche an sich und das Leben! Seit er ein Vampir ist, verfügt er auch noch über übermenschliche Kräfte, die ihn noch gefährlicher machen. In dem Bewusstsein, ein ewiges Leben zu haben, lässt er sich Zeit und spielt mit seinen Opfern ein langes, grausames Spiel. Er wiegt sie in Sicherheit, zieht sich scheinbar zurück und schlägt dann ganz überraschend zu. So wie jetzt, wo jeder glaubte, ihn hätte inzwischen der Teufel geholt.«
»Stattdessen hat er sich heimlich hier eingeschlichen, meine Freunde getötet und meine Mutter entführt!«, warf ich ein und ich konnte nicht verhindern, dass mir die Worte von Friedrich und Amadeus noch mehr Furcht vor Utz ins Herz pflanzten.
»Hannah ist eine Vanderborg«, sagte Friedrich. »Utz ist dabei, den Spieß einfach umzudrehen. Er verhöhnt den Fluch, der seine Familie, bis auf ihn selbst, ausgerottet hat. Nun sind nicht mehr die Przytuleks die Gejagten, sondern die Vanderborgs, und er verfolgt sie mit dem gleichen Hass, mit dem Eleonore die Grafen von Przytulek verfolgt hat.In seinen Augen kann nur eine Familie überleben, und das werden, wenn es nach ihm geht, nicht die Vanderborgs sein.«
Amadeus griff nach meiner Hand und sah mich mit glitzernden Augen an. »Du schwebst also immer noch in höchster Gefahr«, sagte er eindringlich, »denn nach dem Tod deiner Mutter wärest du sein nächstes Opfer. Du bist dann die Letzte der Vanderborg-Frauen und … du bist als Einzige noch ein Mensch … jung genug und fähig ein Kind auszutragen und die Familie fortzupflanzen. Mit dir wird sich entscheiden, welches Geschlecht überleben wird.« Er rutschte näher zu mir und wisperte mir ins Ohr: »Aber als Mensch bist du auch schwach, Louisa. Lass mich dich zu einer Vampirin machen, damit du ihm gewachsen bist – als Mensch wirst du diese letzte Schlacht verlieren.«
Ich schüttelte den Kopf und sagte laut, sodass es Friedrich und Klara durchaus mitbekamen: »Das sehe ich anders, Amadeus. Gerade als Mensch habe ich die Chance, ihn zu besiegen. Wenn ihn die Tagesmüdigkeit der Vampire überfällt oder das Licht der Sonne ihn in die Dunkelheit eines geschützten Raumes zwingt, dann kommt meine Stunde, denn dann bin ich sehr viel stärker als er. Du bist kleinmütig, Amadeus, und … du unterschätzt meine Willenskraft.« Er sah mich zweifelnd an. »Ihr seid drei Vampire, jeder von euch ist genauso stark wie Utz, und du solltest es nicht gering schätzen, dass Marc und ich euch als Menschen durchaus gegen diese Ausgeburten der Finsternis unterstützen können!«
Amadeus lächelte über meinen Enthusiasmus, und ein wenig musste ich ihm recht geben, denn ich hatte keine Ahnung, wie und womit ich ihn, Friedrich und Klara gegen Utz unterstützen konnte.
»Louisa, versteh mich richtig. Ich will dir keine Angst vor Utz einjagen, aber ich will dir die Dimension der Bedrohung durch ihn realistisch vor Augen führen. Du kannst sie nur so richtig einschätzen lernen und ihr entsprechend begegnen, wenn es in Kürze zum Äußersten kommen sollte.«
»Du zweifelst an unserem Sieg?«
Aber ehe er antworten konnte, sagte Klara: »Niemand hier zweifelt daran, Louisa! Wir wollen nur nicht blauäugig in einen Kampf gehen, der für das weitere Schicksal der ganzen Familie entscheidend ist.«
Friedrich nickte. »Die Schicksalhaftigkeit sollte uns allen bewusst sein. Denn es kann kein Zufall sein, dass wir uns alle zu diesem Zeitpunkt hier auf dem Gut Blankensee befinden, wo die vampirischen Nachkommen der Familie geboren wurden. Wo also die Wurzeln des dunklen Zweiges der Vanderborgs liegen.«
»Hier will Utz uns nun entscheidend vernichten«, stimmte Amadeus ihm zu und fragte mich noch einmal: »Louisa, willst du nicht lieber auch als Vampirin in diesen Kampf gehen?«
Er gab den Versuch einfach nicht auf, mich zu seiner Gefährtin zu machen. Aber es hatte für mich nichts Romantisches, für ewiges Leben, Schönheit und Jugend andere Menschen töten und ihren Lebenssaft aussaugen zu müssen. Es erschien mir grausam und frevelhaft und ich konnte mir nicht vorstellen, dass daraus etwas Gutes entstehen konnte. Selbst wenn man in modernen Zeiten wie heute vielleicht
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