Die dunkle Horde: Ein Trolle-Roman (German Edition)
blind.«
Karn stemmte die Hände in die Seite. »Das ist doch Unsinn!«
Ruk stieß einen langen Seufzer aus. »Glaub, was du willst, Kleiner. Aber diese Jägerin hat deine Fährte aufgenommen. Du wirst schon sehen.«
»Du bist müde«, gab Karn zu bedenken, und Ruk konnte dem kaum widersprechen. »Zudem hat die Elfenmagie dir den Schädel verdreht. Du siehst Dinge, die gar nicht da sind.«
Ruk wollte ihn zurechtweisen, aber Karn deutete auf die Tür. »Drinnen gibt es Fleisch und ein wenig Ruhe. Morgen wirst du alles schon wieder anders sehen.«
Das Ziehen in seinem Leib und die Erschöpfung in seinem Geist ließen Karns Verheißungen mehr als verlockend erscheinen, und so schwieg Ruk und trat in das Haus. Auch morgen noch konnte er seinen kleinen Bruder von der Wahrheit überzeugen. Oder ich warte einfach ab. Zega scheint mir keine Trollin zu sein, die gutes Fleisch schlecht werden lässt. Der Gedanke brachte ein Lächeln auf seine Lippen.
Das jedoch erstarb, als von draußen das Gebrüll von Trollen zu ihnen drang. Es kündete von keinem spielerischen Kampf, war keine freudige Begrüßung, nicht einmal eine ernste Herausforderung. Das war ein Alarmbrüllen!
Karn sprang wieder hinaus, und Ruk und Breg folgten ihm. Trolle liefen die Straße hinab zu einem Durchbruch in der Palisade.
»Was ist los?«
»Elfen«, rief einer über die Schulter zurück, während er weiterstürmte. »Elfen in den Hügeln!«
Ruk wollte ihm gleich hinterher, aber Karn hielt ihn zurück. »Bleib hier. Jemand muss einen kühlen Kopf bewahren, wenn alle wild hinausstürmen.«
»Und du?«
Sein Bruder grinste breit.
Ruk hob die Augenbrauen. Zuerst wollte er protestieren, dann fügte er sich. Sollen andere sich um die Elfen kümmern. Ich habe noch genug von den letzten.
»Lauf, Bruder, hol sie dir«, flüsterte er mit einem Augenzwinkern und sah zu, wie sich Karn und Breg in einen vorbeistürmenden Trupp Trolle einreihten und aus der Stadt hinausliefen. Dann lehnte er sich gegen die Hauswand und atmete tief aus.
38
I nmitten der Horde erfasste Karn ein seltsames Hochgefühl. Die Trolle stürmten aus der Stadt, aus jeder Öffnung in der Palisade, und schwenkten alle in eine Richtung. Karn ließ sich mitreißen, auch wenn er nicht wusste, wohin sie rannten.
Immer wieder brüllten und heulten sie um ihn herum, und er selbst tat es ihnen instinktiv gleich. Er rempelte die anderen an, bekam unabsichtliche Schläge in die Seite. Es war herrlich, inmitten der Horde zu rennen.
Dann sah er sie: Auf einem Felsen, der höher als drei Trolle war, standen zwei kleine Gestalten. Die Masse der Trolle machte sich daran, den Felsen zu umzingeln. Einige begannen, an seinen steilen Wänden emporzuklettern.
Diese Elfen sahen anders aus als jene, die sie zu Zegas und Ongs Befreiung getötet hatten. Sie waren in einfaches Leder gekleidet, trugen keine metallenen Rüstungen. Auf Karn wirkten sie ärmlicher. Beide hatten jedoch Bögen in den Händen und ließen immer wieder Pfeile von den Sehnen schnellen.
Die Geschosse trafen ihre Ziele genau. Karn sah, wie ein Troll sich an den Hals packte, aus dem ein gefiederter Schaft ragte. Er hörte, wie er fluchte und brüllte, doch dann steckte dem Troll plötzlich ein Pfeil mitten im Rachen, und er fiel ohne einen weiteren Ton zu Boden.
»Holt sie da runter!«, schrie eine Trollin, vermutlich eine der Anführerinnen, denn in ihrer Stimme lag eine Autorität, die einen beinahe dazu zwang zu gehorchen.
Während die Trolle um ihn herum weiterliefen und sich in jene einreihten, die schon den Felsen belagerten, wurde Karn langsamer. Die anderen prallten gegen ihn oder liefen links oder rechts an ihm vorbei und beachteten ihn in ihrem Jagdrausch gar nicht. Er indes blieb stehen und beobachtete das Geschehen genauer.
Die Elfen drehten sich im Kreis, Rücken an Rücken, und schossen immer wieder Pfeile auf Trolle, die versuchten, den Felsen zu erklimmen. Obwohl ihre Situation aussichtslos war, zeigte sich auf ihren Gesichtern keine Angst, was Karn befremdlich fand. Ihre Bewegungen waren schnell und geschmeidig, jede einzelne sah aus, als wäre sie viele Male geübt worden. Wie sie sich gegenseitig Deckung gaben, einander halfen und sich so überraschend lange gegen die Übermacht verteidigten, beeindruckte den jungen Troll.
Dann aber hatte der erste Angreifer den Felsen erklommen. Der größere der beiden Elfen duckte sich unter dem weit ausholenden Schlag des Trolls hindurch, sprang mit beiden Füßen vor und
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