Die dunkle Prophezeiung des Pan
gehört. Das Auswendiglernen von Zahlen und
Daten ist mühsam und langatmig. Ich werde Ihnen zeigen, wie
Politik zu Geschichte wird. Wir werden dabei nicht unbedingt
chronologisch vorgehen. Und wir werden die Mythen und Legenden mit
einbeziehen und warum sie in der Vergangenheit so wichtig für
die Gesellschaft war. Es sei mal dahingestellt, ob die Märchen
einen wahren Kern haben oder nicht.«
Und
ob sie den haben. Schieb mal deine Mähne von den Ohren weg ,
dachte ich.
Ciaran sah mir
ausgerechnet in diesem Moment in die Augen. Er lächelte
amüsiert. »Felicity, möchten Sie uns etwas über
die Ursprünge des Sommernachtstraums verraten?«
Mir wurde siedend heiß
und ich schüttelte den Kopf.
»Gut, dann
befassen wir uns mit Shakespeare und der elisabethanischen Politik.«
Ciarans Unterricht war
aufregend. Und anstrengend. Er war das Thema der ganzen Schule nach
seinem ersten Arbeitstag. Mit uns hatte er die soziale Lage der
Bevölkerung zur Zeit Shakespeares durchgenommen, von anderen
erfuhren wir, er habe den römischen Senat anhand einer
Powerpoint-Präsentation erklärt. In wieder anderen Klassen
hatte er die fatale Regency-Zeit unter George IV. besprochen. Fakt
war: alles, was Ciaran an diesem Tag unterrichtet hatte, konnte von
sämtlichen Schülern beinahe eins zu eins wiedergegeben
werden.
Ich dachte noch darüber
nach, als ich gegen halb vier meine neue Uniform anzog und mich auf
den Weg zum Museum machte. Mrs Collins steckte den Kopf aus der
Wohnungstür, als ich das Treppenhaus hinunterging.
»Na, Felicity?
Auf dem Weg zur Arbeit?« Sie gab sich keine Mühe, den
Spott in der Stimme zu verbergen.
»Ja, Mrs.
Collins«, antwortete ich artig.
»Lässt deine
arme Mutter allein malochen! Ich finde das nicht richtig von dir. Sie
hat immer so hart geschuftet, um für euch zu sorgen.«
Und sie hatte es nie
auf einen grünen Zweig gebracht. Mein ganzes erspartes
Collegegeld – hauptsächlich vererbt von meinem Großvater
– hatte sie benutzt, um ihren maroden Pub am Laufen zu halten.
Aber das sagte ich nicht zu Mrs Collins. Ich ging einfach weiter.
Leider kam mir in diesem Moment Mrs Collins‘ Sohn Tom von unten
entgegen. Anscheinend hatte er schon Feierabend.
»Hey, City«,
grüßte er mit einem anzüglichen Grinsen. »Wow,
du siehst ja richtig schick aus. Wie ‘ne Stewardess. Kommst du heute
Abend mit? Wir wollen in so ‘nen neuen Club.«
»Tut mir leid,
Tom«, sagte ich und versuchte bedauernd auszusehen. »Aber
ich muss nach meiner Schicht noch lernen.«
»Für dein
zukünftiges Studium?«, fragte er spöttisch. »Willst
immer noch was Besseres werden, was?«
Ich wollte einfach an
ihm verbeigehen, aber er streckte einen Arm gegen die Wand und
blockierte den Durchgang.
»Lass mich
vorbei, Tom«, sagte ich und betete um Geduld. Das war schwer
bei Mrs Collins und Tom. Aber Tom war niemand, den man sich zum Feind
machen sollte. Er war einen Kopf größer als ich und
bullig. Vielleicht sollte ich Lee irgendwann einmal bitten, Tom in
seine Schranken zu weisen. So wie er es mit Jack Roberts gemacht
hatte. Jack hatte mich auf einer Party letztes Jahr geküsst und
war zudringlich geworden. Lee hatte ihm den Kopf zurecht gerückt.
Auf äußerst wirksame Art und Weise.
»Nur, wenn du mir
versprichst, dass du Freitagabend mitkommst.«
Wo hatte er denn die
Anmache aufgetrieben? Kurzerhand wollte ich unter seinem Arm
durchschlüpfen, aber er hielt mich fest. Sein Kopf neigte sich
gefährlich nah zu mir herunter.
»Du riechst in
letzter Zeit so gut, weißt du das? Hast du dir endlich mal ein
Shampoo geleistet?«
Ich trat ihm mit aller
Kraft auf den Fuß. »Komm zurück auf den Boden,
Romeo«, zischte ich. »Ich muss jetzt gehen.«
Er ließ mich los
und trat einen Schritt zurück, um mich vorbeizulassen, aber um
seinen Mund spielte noch immer ein anzügliches Grinsen. »Was
denn, City? Das war ein Kompliment. Du hast dich echt gemacht seit
dem Sommer. Keine Zahnspange mehr, du riechst gut und deine Haare
sind irgendwie anders. Ist dein Gigolo daran schuld? Und wenn schon,
du spielst trotzdem nicht in seiner Liga. Auch wenn du dich noch so
sehr versuchst zu stylen, du wirst nie so aussehen wie die Models,
mit denen sich solche Typen umgeben.«
Ich stapfte weiter nach
unten. »Komplimente machen musst du noch lernen«, rief
ich zurück.
DAS UNHEIMLICHE GEMÄLDE
Im Museum teilte man
mich in die Räume 19 bis 24 ein, wo Gemälde aus dem
sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert hingen. Heute war
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