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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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fünf Söldner nicht
auswichen, sondern standhielten, begann dort das Hacken von Fleisch und das
Sprühen von Blut.
    Auch Deterio schüttelte
den Kopf. »Also zurück zum ursprünglichen Plan. Ihr hattet versucht, mich als
Geisel zu nehmen. Versucht es noch einmal, aber ohne Speer. Nur mit Euren
Händen.« Er nahm sich die Augengläser von der Nase und verstaute sie in einem
ovalen Kästchen, das er in einer Innentasche seiner leichten Jacke verschwinden
ließ.
    Rodraeg starrte Deterio
an. Die Gegenwart verschmolz mit der Vergangenheit. Schon wieder ein
waffenloser Kampf. Was hatte dieser Straßenräuber gesagt? »Zeig mir, wie du für
den Kontinent kämpfst, wenn sich jemand zwischen dich und dein hehres Ziel
stellt.« Ryot Melron von der Roten Wand. Der ihm jenes Schwert schenkte, das er
nun leichtfertig an Migal Tyg Parn verloren hatte.
    Rodraeg griff an. Es
war die einzige Möglichkeit, Migals und Bestars und vielleicht sogar Hellas’
Leben zu retten. Vielleicht würde ihm ja ein Glückstreffer gelingen. Vielleicht
würden sich all seine kindischen Körperertüchtigungsübungen unter Migals
spöttischem Blick ja doch in etwas Handfestes verwandeln lassen. »Du kannst es
doch gar nicht führen. Was willst du damit?« Migals schonungslose Ehrlichkeit
schmerzte mehr als Deterios manierliche Beherrschtheit. Nichts an Deterio war
persönlich. Er übte hier nur seinen Beruf aus, förmlich, perfekt, präzise, aber
mit einer spürbaren Distanz zu allem, was ihn umgab. Um so wichtiger war es,
Deterio richtig zu fassen zu bekommen.
    Rodraeg legte all seine
Kraft und Geschwindigkeit in sieben oder acht schnell aufeinanderfolgende
Attacken. Vergeblich. Deterio wich aus, tänzelnd, in der Hüfte beweglich, beide
Hände seitlich des Kopfes in einer eigentümlichen, nur halb geschlossenen
Handhaltung erhoben, die Rodraeg schon einmal gesehen hatte, als er vor vielen
Jahren im Auftrag von Advokat Hjandegraan in einer Aldavaer Kampfschule
Erkundigungen angestellt hatte. Falls Rodraeg geglaubt hatte, einen kleinen
Vorteil daraus ziehen zu können, daß Deterio ohne Augengläser schlechter sehen
konnte, sah er sich nun eines Besseren belehrt. Der Hauptstädter führte ihn
vor.
    Schließlich bekam
Rodraeg einen Zipfel von Deterios Jacke zu fassen und wollte ihn daran
festhalten, als dieser einen Gegenangriff startete. Nicht mit den Fäusten,
sondern ausschließlich mit den Beinen. Er konnte mit dem Knie zustoßen und
anschließend das Bein strecken, so daß Rodraeg mit dem Kopf gerade noch dem
harten Fußballen ausweichen konnte. Er konnte hochspringen und Rodraeg mit
beiden Füßen nacheinander treffen. Er konnte sogar ein Knie um Rodraegs Hüfte
herumführen und ihn von hinten mit der Ferse in die Nieren treten. Rodraeg
landete zwei klatschende Fausttreffer auf Deterios Rippen, die ihn selbst
wahrscheinlich mehr schmerzten als seinen Gegner. Einmal streifte er Deterios
Schläfe mit dem Ellenbogen. Ansonsten wurde er selbst mit jedem wohlgezielten
Treffer mürber, begann immer stärker zu zittern wie das wiederholt geschlagene
Fell einer großen Trommel. Er schnaufte und wütete und mühte sich und fand sich
schließlich auf dem Boden wieder, ohne Atem, ohne Kraft, mit dem Gewicht von
drei Anderthalbhändern an jedem Arm.
    Rodraeg schaute sich
um. Neben ihm lag der Arbeiter immer noch auf der Tür, mitsamt der ihn Bestar
aus der Hütte geschleudert hatte. Er atmete rasselnd, hatte mehrere Knochen und
Rippen gebrochen. Etwas weiter entfernt, hinter Deterios tanzenden, leichten
Schuhen, der Söldner mit der blutverschmierten Nase, den Speer haltend wie ein
grausamer Ringrichter, um jederzeit dazwischenzugehen. Wiederum hinter diesem
liefen die sechs Kruhnskrieger vorbei, durch die Migal durchgebrochen war,
verstärkt durch den siebten, der auf Hellas eingeprügelt hatte. Bewegung. Viel
zu viel Bewegung, um sich konzentrieren zu können. Oben auf der Klippe standen
jetzt drei Söldner, zwei mit Speeren, einer ohne, und betrachteten ruhig das
Geschehen.
    Mit schmerzverzerrtem
Gesicht blickte Rodraeg wieder zurück zu den rennenden Söldnern, die dorthin
liefen, wo Migal und Bestar jetzt zur Höhle weiterhumpelten. Migal stützte
Bestar. Vier Söldner lagen hinter ihnen tot in Unmengen von Blut, der fünfte
kroch brabbelnd umher und suchte seine Hand.
    Ein Traum fiel Rodraeg
wieder

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