Die dunkle Quelle
Migal
krümmte sich, erbrach dickflüssigen Speichel und brabbelte etwas, das niemand
verstand.
»Ihr solltet wirklich
demütiger sein«, tadelte Deterio mit ruhiger Stimme. Von Kisem Tugri war nichts
zu sehen, aber womöglich stand auch er dort irgendwo im Rauch. War es Tag, war
es Nacht? Rodraeg schluckte schwer, nickte und sagte, möglichst ohne den
Unterkiefer zu bewegen: »Was habt Ihr mit uns vor?«
»Ganz einfach«,
antwortete der Aldavaer. »Ihr werdet für uns arbeiten. Aufgrund der giftigen
Dämpfe haben wir hier ein Arbeitskräfteproblem, und wenn die Terreker erfahren,
daà es hier Tote gegeben hat, wird wohl niemand mehr bei uns anheuern wollen.
Indem Ihr für uns arbeitet, könnt Ihr uns nützlicher sein, als wenn wir Euch
einfach nur umbringen.«
»Mich muÃt du schon
umbringen, du feiges Schwein«, ächzte Migal von unten hoch.
Deterio ging in die
Hocke, um dem aufsässigsten seiner Gefangenen nahe zu sein. »Verdient hättet
Ihr es, nach allen königlichen und sonst auf dem Kontinent gültigen Gesetzen.
Ihr seid unbefugt in ein von uns angemietetes Gebiet eingedrungen und habt acht
Menschen getötet, Männer und Frauen. Ein Vorarbeiter hat mehrere gebrochene
Knochen, ein Söldner hat einen gebrochenen Arm, ein zweiter eine durchschossene
Wade, ein dritter hat seine Schwerthand verloren und ein vierter stirbt an einem
Lungenschuà vor sich hin. Von unseren ursprünglich dreiÃig Kruhnskriegern sind
nur noch achtzehn einsatzfähig. Ihr habt erstaunliche und schreckliche Arbeit
geleistet.«
»Das war nicht so
geplant«, begehrte Rodraeg mühsam auf. Seine Zunge fühlte sich an wie ein
dicker Pilz, der in seinem Mund wucherte. »Ich bin unbewaffnet zu Euch
gekommen. Hättet Ihr die Feindseligkeiten nicht eröffnet, wäre kein einziger
Tropfen Blut geflossen.«
»Ihr habt uns dreist
ins Gesicht gelogen und sogar den Namen der Königin entweiht, um Eure wahren
Absichten zu verschleiern. Danach, das gebe ich zu, habe ich einen Fehler
gemacht, weil ich nicht mit zwei weiteren von Euch gerechnet habe. Aber es ist
unnötig, daà wir uns gegenseitig Vorhaltungen machen, denn das ändert nichts an
der gegenwärtigen Situation. Ich hege keinen persönlichen Groll gegen Euch. Ihr
habt uns lediglich vor Augen geführt, daà die Kruhnskrieger sowohl als Wachen
wie auch als Kämpfer ihren Sold nicht wert sind. Insofern ist es ihre Schuld
und ihr Problem, daà sie einen so hohen Blutzoll entrichten muÃten. Ich hätte
sie niemals angeheuert.« Da Deterio zwischen zwei Kruhnskriegern stand, suchte
Rodraeg bei ihnen nach einer Reaktion auf diese Schmähung, doch Deterios
Autorität schien keinerlei Risse aufzuweisen.
»Jedenfalls«, fuhr der
Aldavaer fort, »werdet Ihr für uns arbeiten. Die Regeln sind ausgesprochen
einfach. Wer gut arbeitet, wird gut versorgt. Wer aufsässig ist oder faul,
bekommt nichts zu essen. Da Ihr zu viert hier eingedrungen seid, behalten wir
uns vor, Euch alle vier zu bestrafen, falls einer von Euch nicht mit uns
zusammenarbeiten möchte.«
Hellas deutete mit dem
Daumen auf Bestar. »Er kann nicht arbeiten, selbst wenn er das wollte.«
»Nun, er wird nichts zu
essen bekommen und nicht weiter versorgt werden, bis er mitarbeitet. Da Ihr zu
viert seid, könnt ihr ihn mit durchfüttern, falls Ihr das wünscht, indem jeder
von Euch auf einen Teil seiner Ration verzichtet. Es liegt also an Euch, was
aus ihm wird.«
»Warum sollen wir
überhaupt arbeiten?« knurrte Migal. »Früher oder später bringt ihr uns doch
sowieso um.«
Deterio lächelte. »Da
irrt Ihr Euch, Klippenwälder. Ihr schlieÃt zu schnell von Euch auf andere. Im
Gegensatz zu Euch sind wir das Morden nicht gewöhnt. Wir sind lediglich
Geschäftsleute. Die Arbeit hier ist hart und beinhaltet einige Risiken für die
Gesundheit. Indem Ihr für uns arbeitet, könnt Ihr die Schuld abtragen, die Ihr
auf Euch geladen habt. Wir gehen davon aus, daà unsere Arbeit hier in etwa
einem halben Jahr beendet sein wird. Wenn das der Fall ist, lassen wir alle
gehen. Die Söldner, die Lohnarbeiter und auch Euch. Also überlegt Euch das gut.
Ein halbes Jahr Zwangsarbeit ist eine milde Strafe für acht oder neun Morde.«
»Morde!« äffte Migal.
»Wir waren in der Unterzahl! Unsere Gegner waren Krieger. Wir haben nicht
gemordet, wir haben
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