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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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unruhiger, rüttelte an allem, was er in die
Finger bekam. Einmal stritt er sich heftig mit Bestar. So uneins hatte Rodraeg
die beiden noch nie erlebt.
    Bestar war es dann
auch, der Rodraeg ins Vertrauen zog. »Migal will abhauen.«
    Â»Wie will er das denn
anstellen?«
    Â»Keine Ahnung.
Überraschung ausnutzen. Schnell und hart handeln.«
    Â»Und du?«
    Â»Ich finde, es ist
Schwachsinn. Selbst wenn es einer aus der Höhle schafft – die Talwände kommt er
nicht hoch.«
    Â»Also wirst du nicht
mitmachen?«
    Bestar schlug die Augen
nieder. »Doch. Ich lasse ihn nicht im Stich.«
    Â»Bestar!« beschwor ihn
Rodraeg. »Rede es ihm aus! Auf mich hört er nicht, aber du kannst es schaffen,
auf ihn einzuwirken. Es wird Hilfe kommen. Bestimmt.«
    Â»Es kommt keiner mehr.
Sie denken, wir sind tot.«
    Â»Sagt Migal.«
    Â»Nein. Sagt Hellas.«
    Rodraeg fluchte.
»Hellas weiß gar nichts. Migal weiß auch nichts. Ich bin der einzige von uns,
der den Kreis persönlich kennengelernt hat. Die lassen uns nicht fallen, glaub
mir.«
    Bestar rang sichtlich
mit sich. »Rodraeg, ich glaube dir ja. Ich finde es hier auch nicht so schlimm,
ich könnte das locker ein halbes Jahr durchstehen. Aber wenn Migal es hier
nicht mehr aushält, kann ich ihn nicht im Stich lassen.«
    Â»Dann laß uns
zusammenarbeiten und ihn von seinem Plan abbringen. Auf die Weise läßt niemand
jemanden im Stich, und wir bleiben alle zusammen.«
    Bestar nickte
niedergeschlagen. »Es wird nichts bringen, aber versuchen wir’s.«
    In den folgenden
vierundzwanzig Stunden suchten Rodraeg und Bestar in jedem sich bietenden
Augenblick das Gespräch mit Migal. Nachts, bei der Arbeit, auf dem Abtritt,
beim Essenfassen, während der Wäsche mit Wasser und Flechtenschwamm: Migal
wurde beschwatzt und beschworen, angefleht, ermahnt, widerlegt, eingeschüchtert
und gezwungen, sich mit Vergangenem und Zukünftigem auseinanderzusetzen. Alles
ohne Erfolg. »Ich gehe hier drinnen vor die Hunde«, war sein letztes und
unschlagbares Argument. »Wenn ihr nicht glaubt, daß man es schaffen kann, dann
laßt es mich alleine versuchen. Wenn ich durchkomme, bringe ich Hilfe.«
    Rodraeg hätte es
begrüßt, wenn jemand ihnen Hilfe brächte. Er hätte auch nichts dagegen gehabt,
daß Migal der Fron entkam, und der elend aussehende Hellas gleich mit, der sich
wohl nur deshalb nicht an Fluchtplänen beteiligte, weil er fürchten mußte,
seinen nur langsam heilenden linken Arm nie wieder benutzen zu können, wenn er
ihn zu früh belastete. Rodraeg hätte sie alle gerne in Freiheit und Frieden
gewußt. Doch er sah keine Chance. Da draußen und hier drinnen waren immer noch
einundzwanzig Kruhnskrieger, die nur darauf brannten, ihre Toten endlich rächen
zu können. »Du tust ihnen einen Gefallen, wenn du ihnen eine Gelegenheit
bietest, dich zu töten.«
    Migal wollte davon
nichts hören und war überzeugt, alle Gegner und Hindernisse überwinden zu
können wie ein Bär oder ein mythisches Wesen.
    In der folgenden Nacht,
der Nacht auf den dreißigsten Tag ihrer Fron, lag Bestar wach, bibberte vor
Anspannung und bewegte die Lippen in einer eigentümlichen Mischung aus einem
Streit mit sich selbst und einer Anrufung der Götter. Er rang sich zu einem
furchtbaren Entschluß durch.
    Dann ab dem frühen
Morgen die Arbeit. Migal achtete verstohlen auf die Kruhnskrieger und
Vorarbeiter, versuchte schon seit Tagen, in ihren Wegen und Haltungen Lücken
und Schwächen zu erkennen, die man ausnutzen oder durch die man schlüpfen
konnte. Migal achtete nicht auf Bestar an seiner Seite. So konnte es Bestar
gelingen, seinem Freund ein schweres, eisenbeschlagenes Wasserfaß auf den
linken Fuß fallen zu lassen. Knochen splitterten mit hörbarem Knirschen.
    Migal schrie auf und
krallte sich an seinem Freund fest. »Bist du verrückt? Paß doch auf!« schrie er
ihn an. Bestar war kein Schauspieler und auch kein guter Lügner. Er brachte es
nicht fertig, so zu tun, als sei es ein Versehen gewesen. »Ich will nicht, daß
du stirbst«, sagte er nur. »Ich will nicht, daß wir beide sterben.«
    Für einen Moment
starrte Migal ihn fassungslos an, dann verzerrte sich sein ebenmäßiges Gesicht
zu einer Fratze, die gleichzeitig zornig und ängstlich war. Er schlug Bestar
ins Gesicht, so daß Bestar rückwärts

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