Die dunkle Quelle
voller Schwarzwachs in aufzischende Becken,
hantierten mit schmutzigen Lappen und armlangen Zangen und rollten Schubkarren
mit Fässern heran oder manövrierten welche mit einigermaÃen abgekühlten
Wachsladungen über den unebenen Höhlengrund zu den Fertigern. Keiner von ihnen
bekam jemals die Vergünstigung, zur Schmutzwasserentsorgung eingeteilt zu
werden und so ins Freie zu gelangen. Sie blieben stets angekettet, stets
überwacht, aber sie wurden nicht mehr verhört, und seit Bestars zweitem
Arbeitstag bekamen auch alle wieder volle Rationen. Bestar sagte flüsternd zu
Rodraeg: »Für die Königin Rüstungen herstellen ist doch eigentlich gar nichts
Schlechtes, oder?«
»Du findest dich also
langsam ab«, versetzte Rodraeg. »Mit der Schwarzwachsquelle, die bald alles
überspült. Mit unseren Ketten. Mit den Kruhnskriegern.«
»Oh nein, nicht mit den
Kruhnskriegern«, beeilte Bestar sich zu versichern. »Migal sagt, es gibt von
denen einundzwanzig zu viel. Das werden wir ändern, wenn wir hier fertig sind.«
Am sechzehnten Tag
ihrer Fron durften sie völlig unverhofft den Himmel sehen. In der Höhle gab es
einen Unfall, einer der Arbeiter stieà rückwärtsgehend ein viertelvolles
Wasserfaà um, der Inhalt ergoà sich in die Schwarzwachsgrube, und das Wachs
lief Amok. Rötlicher Dampf schoà in die Höhe, wurde mehr und mehr, heiÃer und
heiÃer, durchsetzt mit einem Sprühregen reinsten Schwarzwachses. Getroffene
schrien schrill und wälzten sich am Boden, die Haupthöhle wurde evakuiert. Wer
den hinteren Arbeitshöhlen näher war, wurde dorthin gewiesen. Wer näher am
Eingang war, wie die Abkühler, rannte nach drauÃen. Cilf Daubs half Rodraeg und
Hellas sogar beim Schleppen ihrer Ketten.
So fanden sie sich
drauÃen wieder, umringt von zwei Dutzend anderen schmutzigen Gestalten. Die
Sonne stand hoch im Blau und strahlte so hell, daà man unter ihrer Macht
beinahe zu Boden gezwungen wurde. Hier drauÃen roch es immer noch nach Schwarzwachs,
Rauch und SchweiÃ, aber es gab auch so etwas wie einen Wind, der einen Waldduft
mit sich führte und eine undeutliche Erinnerung an blühende Büsche.
Rodraeg schossen Tränen
in die Augen, als er sie alle so bei Licht sah. Zottelbärtig, abgemagert, die
Kleidung starr vor Schmutz, die Haare filzig und wirr. Ein halber Mond
Zwangsarbeit unter Tage. Noch ein halber Mond, und sie würden wie
Untergrundmenschen aussehen, mit rötlichen Augen und ledrigen Schaufeln als
Händen. Ein halbes Jahr war unvorstellbar. Zumindest ihn würde vorher schon der
Husten töten. Hellas sah am eigentümlichsten aus. Obwohl sein Haupthaar
schlohweià war, war ihm ein dunkelbrauner Vollbart gewachsen.
Als sie sich alle
nebeneinander an die Talwand setzen durften, um abzuwarten, bis die Lage in der
Höhle sich wieder beruhigt hatte, fragte Rodraeg ihn leise: »Ich habe von
Menschen gehört, deren Haar vor der Zeit weià wurde, weil sie einen Schock
erlitten oder eine schwere Zeit. Was ist dir widerfahren, mein Freund?«
Der Bogenschütze lehnte
seinen Kopf nach hinten an den lehmigen Fels und sagte: »Es ist eine Lüge, daÃ
wir im Frieden leben. Wenn die Königin zweitausend Verrückte sucht, die sich
bewaffnet in das Affenmenschenland begeben sollen, dann findet sie zweirausend
Verrückte binnen eines Mondes. Ãberall im Land wimmelt es von Schwertträgern
und Totschlägern. Sieh dir unsere Klippenwälder an. Sieh dir die Pferdefresser
an. Sieh dir an, was vor zwanzig Jahren in Jazat geschehen ist. Je länger der
Frieden andauert, um so mehr Böses staut sich an in den Menschen.«
Das war nicht wirklich
eine Antwort auf Rodraegs Frage. Rodraeg versuchte es noch einmal.
»Was hast du erlebt?«
Hellas schwieg mit
düsterem Gesicht. Rodraeg fand sich schon damit ab, keine Antwort zu erhalten,
als Hellas heiser sagte: »Stell dir eine Situation vor, in der du dir wünscht,
daà jemand die Gnade besäÃe, dich zu töten. Stell dir vor, du blickst in die
weit aufgerissenen Augen deiner Frau, und du liest in ihnen den selben Wunsch.
Stell dir vor, niemand besitzt diese Gnade. Und es hört nicht auf. Es hört
einfach nicht auf.« Er sah Rodraeg an. In seinen Augen loderte ein tief
verinnerlichtes Fieber. »Sie haben mich nicht in einen von ihnen verwandelt,
denn mir ist die Gnade noch nicht abhanden
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