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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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gekommen. Ich zögere nicht zu
töten.«
    Rodraeg nickte. Fünf
Kruhnskrieger waren von Hellas erschossen worden, Bestar und Migal hatten
gemeinsam nur vier getötet. Wie fern diese neun Leichen jetzt waren, wie
gesichtslos. Sechzehn Tage Plackerei im Dunkeln hatten genügt, um selbst ihn
diese neun beinahe vergessen zu lassen. Vielleicht hatten Migal und Bestar und
Hellas ja recht, und er selbst lebte in einer Traumwelt. Vielleicht gab es
tatsächlich nichts anderes auf diesem Kontinent als Bestien, Raubtiere und
Naenn, die immer dann in seinen Gedanken auftauchte, wenn er es am wenigsten
erwartete. Aber was, wenn seine hohe Meinung von ihr auch nur ein Irrtum war?
Hatte sie ihn nicht herausgerissen aus seiner beschaulichen Kuellener Traumwelt
und den Bestien des Kontinents zum Fraß vorgeworfen?
    Nein, das war Unsinn.
Schließlich wollte sie ja mitkommen. Sie war bereit, selbst zu leiden.
Möglicherweise hätte sie ihn auch vor schwerwiegenden Fehlern bewahrt.
    Es ging wieder zurück.
Die dunkle Quelle hatte aufgehört zu toben.
    Nach einem letzten
sehnsuchtsvollen Blick hinauf zu Himmel und Licht wurden Rodraeg und die
anderen wieder in ihr rußiges, giftgetränktes Gefängnis zurückgescheucht.
    Vier weitere trostlose
Tage vergingen. Schweißtropfen zischten in Dampf und Asche.
    Am Abend des
zwanzigsten Tages ihrer Fron stellte Migal, als sie alle auf ihren schimmligen
Strohmatten lagen und keinen echten Schlaf finden konnten, eine Rechnung auf.
    Â»Vor zweiundzwanzig
Tagen haben wir den Brief aus Terrek abgeschickt. Nehmen wir an, er war bis
nach Aldava acht Tage unterwegs. Dann haben sie dort sieben Tage abgewartet, ob
wir die Erfüllung unseres Auftrages melden. Da wir das nicht getan haben,
müssen sie sich denken können, daß bei uns etwas schiefgelaufen ist. Wenn sie
dann Hilfe schicken, müßte die etwa zehn Tage später hier eintreffen. Also in
drei Tagen.«
    Â»Wen wollen sie
schicken?« fragte Bestar. »Naenn und Cajin?«
    Â»Sie heuern Leute an,
wie sie uns angeheuert haben«, vermutete Rodraeg. »Geld haben sie ja.«
    Â»Stimmt«, pflichtete
Migal ihm bei. »Sie werden richtige Krieger schicken, und das wird richtig
gut.«
    Rodraeg war sich da
nicht so sicher, aber er behielt seine Zweifel für sich. Daß die anderen sich
auf etwas freuen konnten, würde ihnen in den nächsten Tagen helfen, die Mühsal
und Demütigung zu überstehen. Daß der Kreis allerdings Söldner anheuerte, um eine
bedingungslose Gewaltaktion durchzuführen, schien ihm mehr als
unwahrscheinlich. Der Kreis hatte ihn ausgewählt, um einen Trupp zu bilden.
Leribin und seinen Freunden schwebte etwas anderes vor als ein offener Krieg
gegen die Königin.
    Andererseits: Der Kreis
wußte weder, daß die Königin beteiligt war, noch, daß hier ein Söldnertrupp
stationiert war. Womöglich schickten sie tatsächlich Naenn. Noch
wahrscheinlicher: Naenn übernahm die Verantwortung und bestand darauf, hier
nach dem Rechten sehen zu dürfen.
    Die Last von Rodraegs
Sorgen wurde schwerer.
    Drei weitere Tage, ohne
daß sich etwas Bedeutendes ereignete. Die Arbeit wurde langsam zur Gewohnheit.
Früh aufstehen, Wasser schleppen, Schwarzwachs tauchen, umwuchten, schöpfen und
abgießen, die Atemnot hinter der schon schwarz verkrusteten Atemmaske
bekämpfen, den Hustenreiz niederringen, mehrere Pausen, Reisschleim,
Fladenbrot, etwas Rohrzucker und viel Wasser, an jedem dritten Tag ein
fleckiger Apfel. Die Lebensbedingungen für die freiwilligen Arbeiter und
Kruhnskrieger waren kaum besser, nur daß sie mehr Obst erhielten, in den
Arbeitspausen in den Talkessel durften und turnusmäßig draußen im Menschenstall
schliefen.
    Migal wurde langsam
unruhig, weil vom ersehnten Befreiungskommando immer noch nichts zu sehen war.
Rodraeg schaffte es, ihn hinzuhalten. »Die werden die Bohrstelle im Wald
genauso mühsam suchen müssen wie wir. Und was, wenn sie nicht aus Aldava
kommen, sondern von weiter her? Wenn es Klippenwälder sind, zum Beispiel? Gib
ihnen noch fünf Tage. Fünf Tage noch!«
    Â»Ja, Klippenwälder«,
sagte Migal mit Tränen in den Augen. »Sie werden Klippenwälder schicken.«
    Aber auch in den
nächsten fünf Tagen erschien niemand, um sie zu befreien, ihre Lebens- und
Arbeitsbedingungen zu verbessern oder auch nur ein gutes Wort für sie
einzulegen. Migal wurde zusehends

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