Die dunkle Quelle
war und etwas erhöht, so daà nicht jede Waldameise
sofort über einen stolperte. Sie stellten keine Wache auf. Naenn versicherte,
daà sie wach werden würde, falls sich ein gefährliches Lebewesen der Lichtung
näherte.
Mitten in der Nacht
schreckte Rodraeg auf, weil irgendein Tier in den Baumwipfeln knirschte und
krachte. Beim Gedanken an eine fette, hundegroÃe Baumspinne lief es ihm eiskalt
den Rücken hinunter. Er drehte den Kopf und sah in Hinnisâ ebenfalls wache, beunruhigte
Augen. Aber Naenn schlief tief und fest, zusammengerollt wie ein Kätzchen, mit
schmollendem Mund. »Jetzt«, flüsterte Hinnis, »finde ich es besonders gut,
nicht allein zu sein.« Rodraeg nickte, tippte beruhigend auf seinen Säbel und
versuchte, wieder einzuschlafen.
Am nächsten Morgen
frühstückten sie von Hinnisâ Proviant und brachen dann auf. Im Laufe des Tages
saÃen Rodraeg und Naenn mal hinten auf dem Wagen, mal neben Hinnis auf dem
Kutschbock, mal spazierten sie nebenher, und für eine kurze Regenweile
schlüpften sie auch wieder unter die Plane. Bald nach dem Sonnenhöchststand
verlieÃen sie den Larnwald und kamen an die Stelle, wo die StraÃe sich gabelte:
westlich nach Somnicke und südwestlich Richtung Aldava.
Es waren nur wenige
andere Reisende unterwegs. Zu regnerisch dieser Taumond, zu nahe noch das Echo
des Winters. Den ganzen Tag über sahen sie zwei weitere Händlerswagen, zwei
Bauern, die eine Herde magerer Rinder vor sich hertrieben, und einen
Abenteurer, der mit einem abgeknickten Speer über der Schulter Richtung
Hauptstadt unterwegs war.
So vergingen die Tage.
Hinnis lieà während der gesamten Reise nicht erkennen, ob er wuÃte, daà Naenn
ein Schmetterlingsmädchen war, oder ob ihm das gleichgültig war. Rodraeg
erzählte natürlich etwas über seine Zukunftspläne, aber nur, daà er nach Aldava
ging, um dort eine Stellung anzutreten, die ihn wahrscheinlich nach Warchaim
führen werde, nicht, worum es eigentlich ging. Er und Naenn verstanden sich
blendend, nachdem die Angelegenheit mit dem Gedankenlesen ausgeräumt war. Sie
brauchten gar nicht viel zu reden. Meistens schwiegen sie, und wenn ihre Blicke
sich trafen, lächelten sie.
Am sechsten Tag seit
Kuellen gabelte sich die StraÃe erneut. Rechterhand führte sie zu den kleinen
Dörfern, die das Südufer des gewaltigen Delphior-Sees säumten, geradeaus weiter
zur Hauptstadt. Hier trennten sich ihre Wege. Naenn hatte unterwegs viele Kräuter
gesammelt und schmackhafte Pasten zubereitet, mit denen man geröstetes Brot auf
immer neue Arten bestreichen konnte, so daà sie und Rodraeg nicht mit Hinnis in
die Dörfer fahren und ihren Proviant auffrischen muÃten. Sie wollten lieber
gleich weiter Richtung Aldava.
Hinnis verabschiedete
sich herzlich von Rodraeg, etwas behutsamer von Naenn. »Wenn ihr beiden
tatsächlich in Warchaim landet, sehen wir uns bestimmt bald wieder, denn
Warchaim gehört noch zu meinem Gebiet. Kauft bloà keine Tontöpfe von Leuten,
die dieses Handwerk nicht ordentlich gelernt haben!«
»Versprochen«, lachte
Rodraeg. »Ich hinterlasse im Warchaimer Handelskontor eine Nachricht, wo man
uns finden kann.«
»Und?« fragte Hinnis
augenzwinkernd. »Sind Kinderchen geplant?«
Naenn lief sofort rot
an, was ihrer natürlichen Blässe einen unnatürlich gesund wirkenden Ton
bescherte. »Hinnis, wo denkst du hin?« mahnte Rodraeg, ebenfalls verlegen.
»Genau genommen ist Naenn meine Arbeitgeberin.«
»Ach, so ist das. Na,
dann arbeitet noch schön weiter, ihr zwei. Und überarbeitet euch nicht!«
Lachend fuhr der Tonkrughändler davon.
Schweigsam wanderten
Rodraeg und Naenn weiter. Sie füllten ihre Wasserschläuche in einem
kristallklaren Rinnsal, der sich durch sprieÃendes Gras einen Weg zum See
bahnte. Als es dunkelte, suchten sie sich ein Lager auf einem Hügel im
Windschatten einiger verwitterter Steine.
Seit zwei Tagen hatte
es nicht mehr geregnet, es war deutlich wärmer geworden. Sie waren müde und
beschlossen, kein Feuer zu machen. Zum ersten Mal waren sie im silbernen
Mondlicht allein.
Naenn seufzte. »Wenn
wir kein Feuer machen, sollten wir uns nicht allzu weit voneinander hinlegen.
Falls etwas passiert. Und â¦Â« â sie zögerte â »â¦Â wegen der Wärme.«
»Ja«, sagte Rodraeg
hilflos und kam sich wieder
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