Die dunkle Quelle
Bogen wartete, bis Rodraeg auf Sprechnähe
herangekommen war.
»Ich habe noch nie
gesehen, daà jemand so weit schieÃen und treffen kann«, rief Rodraeg
begeistert. »Wie funktioniert sowas?«
Der Schütze war hager,
gut gekleidet in einem fast bis zum Boden reichenden Mantel. Seine halblangen
Haare waren tatsächlich schlohweiÃ, aber sein markantes Gesicht war das eines
DreiÃigjährigen. Seine Stimme war leise und ein wenig heiser. »Der Wind ist
mein Freund.«
»Es ist aber gar nicht
so windig heute.«
»Am Boden nicht. Aber
über zehn Schritt Höhe schon. Man kann es in den Kronen der Bäume lesen.«
Rodraeg betrachtete den
Himmel und die Bäume, die vereinzelt um das Feld herumstanden, und beschloÃ,
die Karten auf den Tisch zu legen. »Ich will nicht um den heiÃen Brei
herumreden: Ich bin hier, um Euch anzuheuern. Mein Name ist Rodraeg Talavessa
Delbane.«
»Angenehm. Was habt Ihr
mir zu bieten, Delbane?«
»Eine längerfristige
Anstellung. Wir zahlen zwar nicht viel auf die Hand, aber es gibt freie Kost
und ein eigenes kleines Zimmer im äuÃerst annehmlichen Haus des Mammuts zu
Warchaim. Wir erhalten Aufträge, und reisen dann durch den Kontinent, um
Interessen zu vertreten.«
»Wessen Interessen?«
»Nicht die der Königin.
Die des Landes. Die der nichtmenschlichen Völker des Kontinents. Vielleicht
auch die der Götter. Unsere Auftraggeber sind magisch bewandert, älter,
gebildeter und wichtiger als ich.«
Der Bogenschütze prüfte
die Maserung und den Schnitt des neuen Pfeils und hob wieder den Bogen zu hoch
und zu weit rechts, um einen weiteren Schuà abzugeben.
»Wer ist noch dabei?«
fragte er.
»Im Haus wohnen noch
ein in einem Tinsalt-Tempel aufgewachsener Junge aus Siberig und ein
Schmetterlingsmädchen aus dem Larnwald, aber die eigentliche Einsatzgruppe
besteht aus mir und zwei jungen Schwertkämpfern aus dem Klippenwald. Da ich
nicht vorhabe, bei der Erfüllung der Aufträge mehr Gewalt anzuwenden als
unbedingt nötig, könnte ich jemanden wie Euch gut gebrauchen, der auch mit
Abschreckung arbeiten kann. Ein wohlplazierter Warnschuà kann genausoviel
Wirkung haben wie ein Treffer.«
Der Bogenschütze
lauschte in den Wind und berichtigte seine Bogenhaltung um ein paar Fingerbreit
zur Seite.
»WiÃt Ihr, was ich am
BogenschieÃen am meisten mag?« fragte er.
Er schoÃ. Der Pfeil
raste mit hörbarem Zischen davon, beschrieb wieder eine aberwitzige Kurve, ritt
jenseits seines eigenen Schwungantriebs auf unsichtbaren Strömen mit und schlug
wie ein flatterndes Phantom durch die Vogelscheuche. Rodraeg konnte nicht
antworten, so trocken und offen stand sein Mund.
Der Bogenschütze
schüttelte langsam den Kopf und suchte sich einen neuen Pfeil aus seinem
Köcher. »Die Entfernung«, sagte er mit dem Anflug eines bitteren Lächelns. »Die
Entfernung zwischen mir und dem Ziel. Warum also sollte ich in einem Haus
wohnen wollen, wo schon zu viele andere wohnen?«
»Oh, Ihr wärt es mir
wert, daà ich die Zusatzkosten aufbringe, Euch woanders einzuquartieren. Wo
immer es Euch gefällt.«
»Es gefällt mir
nirgends, also spielt es auch keine Rolle. Aber warum sollte ich mich einer
Gruppe anschlieÃen und mit anderen zusammen durch die Gegend ziehen, um
Warnschüsse abzugeben auf Ziele und Missionen, die ich nicht verstehe?«
»Naja. Wegen der
Entfernung.«
»Welcher Entfernung?«
»Das endgültige Ziel
der Gruppe Mammut ist so dermaÃen weit entfernt, daà selbst ich mir nicht
sicher bin, ob ich überhaupt daran glauben kann.«
Der Bogenschütze
lächelte jetzt wirklich. »Ihr seid jedenfalls nicht ganz so dumm wie die
anderen Kerle, die in letzter Zeit versucht haben, mich anzuwerben. Gebt Ihr
mir bis morgen früh Bedenkzeit?«
»Kein Problem. Ihr
findet das Haus des Mammuts, wenn ihr die Nord-Süd-HauptstraÃe von der alten
Tempelruine nach Norden hochgeht, und an der Kreuzung, wo es rechts zum
Badehaus geht, nach links abbiegt. Hinter dem Krämerladen. Könnt Ihr Euch das
merken?«
»Woran erkennt man das
Haus?«
»An dem Mammut an der
Tür.«
»Verstehe. Also,
entweder komme ich morgen früh hin, oder wir sehen uns nie wieder.
Einverstanden?«
»Einverstanden.«
»Und jetzt laÃt mich
bitte allein, Delbane. Ich muà mich konzentrieren, sonst kriege
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