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Die dunkle Quelle

Die dunkle Quelle

Titel: Die dunkle Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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machen konnte.
    Rodraeg ging über den
Markt, schwatzte kurz mit Eras Dier, der hier immer noch seine Teppiche an den
Mann brachte, und betrat dann den mit Klingen und Griffen in all ihrer Vielfalt
dekorierten Waffenladen von Teff Baitz. Hier baumelten Hellebarden,
Metallschilde und doppelklingige Stangenwaffen unter der Decke, so daß jeder,
der den Laden betrat, ein Labyrinth aus Metall zum Schwingen und Klingen
brachte. Der Schmied war nebenan in der Schmiede, aber man konnte am Tresen einen
kleinen, wie ein Arenakämpferschild geformten Gong schlagen, und dann kam Teff
Baitz herüber, sich die geschwärzten Hände an einem Lappen abwischend. Baitz
hatte graue Schopf-, Bart- und Brusthaare, strotzte aber vor verhaltener Kraft
wie eine geladene und gespannte Armbrust.
    Â»Kann ich behilflich
sein?«
    Â»Ja, ähh, habt Ihr auch
Bogenwaffen hier, Meister Baitz?«
    Â»Ein paar. Gute, noch
dazu. Eigene Herstellung. Was genau 
darf’s denn sein?«
    Â»Ihr versteht Euch auch
aufs Bogenmachen?«
    Â»Ich nicht. Meine
Frau.«
    Â»Ach so. Das ist
natürlich praktisch. Nun, ich bin eigentlich nicht auf der Suche nach einem
Bogen, sondern vielmehr auf der Suche nach jemandem, der mit einem umzugehen
versteht. Vielleicht könntet Ihr mir behilflich sein.«
    Â»Wie soll ich Euch da
helfen können?«
    Â»Lohnt es sich für
mich, Euren Laden im Auge zu behalten, um mit Bogenschützen Kontakt zu
bekommen? Wie viele derartige Kunden habt Ihr pro Tag?«
    Â»Unterschiedlich.
Einen. Zwei.«
    Â»Und wie viele habe ich
heute schon verpaßt?«
    Â»Einen. Wofür braucht
Ihr einen Bogenschützen?«
    Â»Auftragsarbeit,
genaueres weiß ich selbst noch nicht. Reisen, eventuell Kämpfen.«
    Â»Wie gut bezahlt?«
    Â»Mittelmäßig gut, aber
langfristig.«
    Teff Baitz kraulte sich
den Vollbart. »Vielleicht ist der Bursche, der vorhin hier war, etwas für Euch.
Definitiv ein Experte mit dem Langbogen, aber auch mit dem Degen und
degenähnlichen Klingen. Hat Pfeile nachgekauft und eine neue Sehne und wollte
einen guten Übungsplatz genannt bekommen. Ich habe ihn zur Straße Richtung
Miura hinausgeschickt, linkerhand sind Felder, auf denen ein paar uralte
Vogelscheuchen stehen. Wenn Ihr Glück habt, ist er noch dort.«
    Â»Großartig. Vielen
Dank. Ich verspreche Euch, ich werde Euer Kunde, sobald ich oder einer meiner
Freunde eine neue Waffe brauchen.«
    Â»Versprecht nicht zu
viel. Der Bursche sah mir wie ein Einzelgänger aus. Ich weiß nicht, ob der sich
anheuern läßt.«
    Â»Wie alt etwa?«
    Â»Schwer zu schätzen.
Jünger als Ihr, aber schon weißere Haare als ich.«
    Â»Aha. Nochmals vielen
Dank, Meister Baitz.«
    Rodraeg rannte aus dem
Laden. Die Straße, die nach Miura aus Warchaim herausführte, mündete dreißig
Schritte südlich von Teff Baitz’ Schmiede auf den Marktplatz. Zwei Sandstriche
später hatte Rodraeg schon die Überreste der Stadtmauer passiert und befand sich
auf freiem Feld. Rechterhand spiegelte der Larnus die Eisenfarbe des
wolkenverhangenen Himmels wider. Weit und breit war keine Menschenseele zu
sehen, außer der schmalen Silhouette eines Bogenschützen, der tief in einem
aufgeweichten, unbestellten Feld stand und in die ungefähre Richtung einer weit
entfernten Vogelscheuche zielte. Er zielte lange, sehr lange, schien den Wind
mitzuberechnen und die Beschaffenheit des Pfeiles. Die Vogelscheuche war klein,
bucklig und gekreuzigt und annähernd einhundert Schritt von dem Bogenschützen
entfernt.
    Rodraeg konnte kaum
glauben, daß diese Vogelscheuche tatsächlich das angepeilte Ziel war, aber in
der Richtung war nichts anderes. Der weiteste Bogenschuß, den er in seinem
Leben gesehen hatte, war sechzig Schritt gewesen. Dieser Schütze hier zielte zu
hoch, was auf eine ballistische Berechnung schließen ließ, und zu weit rechts,
was wohl mit dem Wind zu tun hatte. Er stand da und lauschte, und Rodraeg
wartete. Irgendwann ließ der Schütze los, und der Pfeil schwirrte von der
Sehne, flog den Wolken entgegen, fiel seitlich ab, kam in der eleganten Kurve
eines jagenden Falken wieder abwärts. Die Vogelscheuche erzitterte wie unter
einem Hammerschlag. Stroh spritzte wie Blut aus ihrem gekrümmten Rücken.
    So etwas hatte Rodraeg
noch nie gesehen. Applaudierend näherte er sich dem Schützen, der einen neuen
Pfeil auflegte und mit gesenktem

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