Die dunkle Seite der Dinge
gewesen sein.
Vermutlich ist sie nach der Tötung ins Wasser geworfen worden.
Genaueres kann ich dir aber erst nach der Obduktion sagen. Ich muss
sehen, ob Wasser in die Lunge eingedrungen ist.“
„ Und das Motiv? Haben wir
es mit einem Sexualdelikt zu tun?“
„ Kann ich auch noch nicht
sagen. Möglich ist es, aber die Leiche ist vollständig
bekleidet oder sagen wir mal, sie hat noch Teile ihrer Kleidung an.“
„ Teile?“
„ Ja. Die Leiche ist stark
aufgeschwemmt, was darauf schließen lässt, dass sie
bereits längere Zeit im Rhein getrieben ist. Du weißt,
dass der Fluss starke Strömungen aufweist, die auch immer wieder
sommerlichen Schwimmern zum Verhängnis werden. Je nachdem, wie
stark die Strömung ist, wird der Körper über den Grund
gezogen. Die großen Schiffe tun ihr Übriges dazu. Die
Schiffsschrauben wühlen das Wasser auf und bringen es in
Bewegung.“ Hagen deutete auf den breiten Fluss, der zügig
an ihnen vorbeifloss. „Eine Leiche ist diesen Strömungen
hilflos ausgeliefert. Sie kann kilometerweit durch das Flussbett
gezogen werden. Das Schleifen über den steinigen Grund reißt
Kleidung und Haut auf. Bei dieser Frau scheint es allerdings so, als
sei sie mit dem Fuß irgendwo hängen geblieben, vermutlich
in einer Befestigungskette der vielen Schiffsanlegestellen. Die
Spuren an ihrem linken Fußgelenk lassen zumindest darauf
schließen. Die Strömung war so kräftig, dass sie ihr
fast das gesamte Gliedmaß abgerissen hat.“
Wellinger tastete mit den Augen
die Konturen unter der Plane ab.
Hagen klopfte ihm aufmunternd auf
die Schulter. „Beruhig dich. Sie war schon tot, als das
passiert ist, aber es ändert nichts an den Tatsachen. Obwohl sie
mit dem Fuß festhing, ist ihr Körper über den Boden
geschrappt. Somit ist die Kleidung der Frau zerfetzt, aber sie trägt
einen Slip. Deswegen vermute ich zunächst einmal kein
Sexualdelikt. Die Wunden, die das Schleifen hinterlassen hat, sind
bei ihr so zahlreich, dass ich zunächst die Stichverletzung
überhaupt nicht bemerkt habe. Na ja, du weißt Bescheid;
Carsten, wenn eine Leiche erst einmal so aufgeschürft ist, wird
sie interessant für die Fische.“
Wellingers Magen vollführte
mehrere Saltos.
Abermals klopfte Hagen ihm auf
die Schultern. „Carsten, was du gleich zu sehen bekommst, haben
aber nicht allein die Fische verursacht. Die Leiche ist durch den
Sturm an Land gespült worden und hat wohl einige Zeit hier im
Gestrüpp gehangen. Was soll ich sagen? Dir ist bekannt, dass
manche Vögel Aasfresser sind.“
Wellinger stieß die Luft
aus. „Hör auf zu quatschen! Mach endlich die verdammte
Plane hoch.“
Kapitel 4
„ Hallo! Darf ich
hereinkommen?“ Franziskas brauner Haarschopf erschien im
Türspalt zu Wellingers Büro. Zu der zerknitterten Kleidung
vom Vortag gesellten sich nun dunkle Ringe, die sich tief unter ihre
Augen eingegraben hatten. „Ich weiß, du wirst nicht viel
Zeit haben, aber hast du schon etwas herausgefunden?“
Zu ihrer Enttäuschung
schüttelte Wellinger den Kopf. „Nein. So schnell geht das
leider nicht.“
„ Darf ich?“ Zaghaft
deutete sie auf den Besucherstuhl.
„ Natürlich.“
Trotz der Umstände war er erfreut, sie zu sehen. „Möchten
Sie einen Kaffee?“
„ Nein, aber einen Schnaps
hast du nicht zufällig da, oder?“
Bedauernd hob er die Schultern.
Nur zu gerne wäre er ihrem Wunsch nachgekommen. Auch er hätte
etwas Starkes vertragen können.
„ Ich bin nach unserem
gestrigen Gespräch noch einmal zu Mikes Wohnung gefahren, aber
er ist nicht aufgetaucht.“ Franziska ließ den Kopf hängen
und Wellinger betrachtete sie mitfühlend. Auch von den
Polizeistationen hatte es keine Reaktion auf seine Anfrage gegeben.
„ Haben Sie eigentlich mit
den Nachbarn Ihres Bruders gesprochen?“
„ Ja klar, ich habe überall
Sturm geklingelt, aber niemand hat Mike gesehen. Leider war Wilma
nicht da. Der entgeht nämlich nie etwas.“
Der Kommissar horchte auf.
„Wilma? Wer ist das? Ist sie eine Freundin Ihres Bruders?“
Unvermittelt erklang ein helles
Lachen, welches die bedrückende Atmosphäre in dem kleinen
Büro vertrieb.
„ Dass du diese Frage
stellst beweist, dass du Wilma nicht kennst. Mike ist zwar ein
schlimmer Schürzenjäger und leider springt er oft sehr
rücksichtslos mit den Frauen um, aber Wilma wäre sogar für
meinen Bruder eine echte Herausforderung.“
„ Wieso denn das?“,
lächelte Wellinger.
Wieder lachte Franziska hell auf.
„Na, sagen wir mal so. Die
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