Die dunkle Seite des Ruhms
unverständlich war: Die Ehe hielt bis heute! Zwar war Lora mit Beginn ihres vierzigsten Lebensjahres etwas hysterisch geworden und wurde mit ihrem unaufhaltsamen Alter nicht fertig, färbte sich die Haare rotblond und trug sie als wallende Mähne, drückte mit Spezial-BHs ihre Brüste hoch und trippelte auf Bleistiftabsätzen herum, so daß es fast zu einem Spitzentanz wurde, aber Ballister beherrschte auch das und kriegte sie herum, beim sonntäglichen Angeln Gummistiefel zu tragen und mit einem Kescher die Fische an der Angel aus dem Wasser zu heben.
Felicitas Saunders kam zum Journalismus aus Wut. Sie ärgerte sich darüber, daß Mao-tse-tung ein schiefes Bild von Amerika haben mußte und bekam es fertig, den großen Chinesen, das lebende Denkmal im Reich der Mitte, nicht nur zu interviewen, sondern – wenn auch einseitig – umzustimmen. Mao sagte nach dem Interview: »Wenn alle Amerikaner so wären wie Sie, so schön, so klug, so angenehm, so versöhnungsbereit, dann sähe unsere Welt anders aus!«
Dieses Mao-Wort wurde zum Markenzeichen für Felicitas Saunders. Ganz Amerika kannte bald ihre Stimme, ihr Gesicht, ihre Gestalt, ihr Lächeln, ihr Augenblinzeln. Wenn es hieß: Morgen zeigt Ihnen Felicitas Saunders wieder einen Großen der Welt, dann knirschten die anderen Fernsehsender mit den Zähnen, denn dann hatte ACF die höchsten Einschaltquoten und damit auch die meisten Reklameaufträge.
Hunters fragte sich oft, warum Felicitas bei ACF blieb. Gut, sie war die bestbezahlte Reporterin der Welt, aber was die Konkurrenz ihr heimlich bot, um sie von ACF wegzureißen, überstieg selbst Hollywood-Gagen höchsten Formates. Die Saunders blieb bei ACF, ließ sich von Jérome Ballister leiten, ließ sich von ihm anschnauzen und blieb bis auf ihre Reportagen im Hintergrund. »Mein Privatleben ist für jeden tabu!« hatte sie einmal gesagt. »Um Tabus soll man sich nicht kümmern. Ich frage Sie ja auch nicht, Hunters, ob Sie heute eine farbige Unterhose tragen. Wir verstehen uns?«
Man verstand sich natürlich. Das Leben der Saunders außerhalb des Senders war kein Thema mehr. Man wußte nur: Sie besaß eine kleine Villa in einem großen Park irgendwo im Hinterland von New York, fuhr einen deutschen Wagen, einen Porsche, und hatte vor vier Jahren ihren Flugschein gemacht. Mit einer zweimotorigen Cessna flog sie gerne herum, ohne Ziel oft, nur aus Freude, unter und über den Wolken zu schweben und die Schwerkraft besiegt zu haben.
Präsident Hunters hatte an diesem Tag seine Zigarre nicht aufgeraucht, aber auch nicht aufgegessen. Felicitas hatte den Kampfhandschuh angenommen: 100.000 Dollar für ein Interview mit Prinz Khalif. Die gleiche Summe an Hunters, wenn sie an Khalifs Presseverachtung scheiterte.
»Wie willst du das machen?« fragte später Ballister in seinem Büro. »Du kommst über den Sekretär von Saud nicht hinaus.«
»Es wird ganz einfach sein«, antwortete sie. »Laß dich überraschen.«
Sie küßte Ballister auf den Mund, sie waren ja allein. Und das war eigentlich für jeden, der die Saunders kannte, eine echte Überraschung.
Prinz Khalif hatte nicht gezögert, als man ihm meldete, daß Felicitas Saunders ihn sprechen wollte. Pressefeindlichkeit schließt nicht aus, daß man sich über die Medien unterrichtet. So wußte auch Saud, wer diese Felicitas war. Er hatte vor drei Monaten fasziniert ihr Interview mit Arafat angesehen und hätte wetten können, daß Arafat sich wegen der Saunders sogar seine berühmten Bartstoppeln habe kürzen lassen. Er war geradezu charmant gewesen und beantwortete Fragen, bei denen er sonst jeden Reporter hätte hinauswerfen lassen. Felicitas Saunders zeigte keinerlei Scheu oder Hemmungen. Ihre Fragen waren glasklar und politisch brisant.
Es war mehr Neugier auf diese ungewöhnliche Frau als eine Wandlung seiner Ansichten, daß Khalif die Anfrage von Felicitas sofort beantworten ließ und sich bereit erklärte, sie zu empfangen. Mit der Idee eines Interviews über den Wolken überraschte er die Saunders, sie griff sofort zu und entlockte Hunters einen Ausruf, der bald klassisch werden sollte: »Dieser Frau ist nichts unmöglich!«
Nun war also das Interview beendet, die Diener servierten eisgekühlte Getränke und arabisches Honiggebäck und zogen sich schnell zurück. Auch der Abbau der Kameras und Scheinwerfer war in wenigen Minuten getan … dann saßen Prinz Saud und Felicitas allein im Salon und sahen sich eine Weile stumm an.
»Sie haben vieles nicht
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