Die dunkle Seite des Weiß
von Vögeln und die Sonne, deren letzte Strahlen sich ihren Weg durch den bewölkten Aprilabend erkämpften. Ich heftete den Blick auf das Blätterwerk, das nach den Regenfällen der letzten Tage frisch und üppig wuchs. Bis eine Bewegung meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Dort, fast verborgen vom dichten Grün des Waldes, stand eine weiße durchscheinende Gestalt. Claras Geist.
Ich spürte, wie mein Herz schneller zu schlagen begann. Die Erscheinung trat aus dem Schatten der Bäume hervor und blickte zu dem Fenster hinauf, an dem noch immer ihre menschliche Hülle lehnte. Ein schmerzlicher Ausdruck huschte über ihr schmales Gesicht. Dann wandte sie den Kopf und sah zu mir. Für einen Moment begegneten sich unsere Blicke und ich merkte, wie sich eine seltsame Wärme in meinem Brustkorb ausbreite. Clara lächelte mir zu, drehte sich um und verschwand zwischen den Bäumen.
»Und, was hast du jetzt vor?«, fragte Mirella in die Stille hinein und nahm einen Schluck Bier.
Ich verzog die Mundwinkel zu einem schiefen Grinsen. »Um 19 Uhr habe ich einen Akupunkturtermin. Ich muss mich sputen. Wird also nichts mit einem gemeinsamen Essen, wenn du darauf abzielst.«
Mirella schüttelte lachend den Kopf. »Ich meinte, ob du in der Akademie bleibst? Jetzt stehen dir alle Türen offen. Immerhin wissen wir jetzt, dass du nichts mit den damaligen Fällen zu tun hattest.«
Ja. Das wussten jetzt alle. Nur ob es das Misstrauen, das sich über Jahre in Köpfen und Herzen abgesetzt hatte wie Kalk in alten Rohren, würde beseitigen können, das musste sich erst noch herausstellen.
Ich räusperte mich. »Kommt darauf an.«
»Worauf kommt es an?«
»Ob ein interessanter Fall auf unserem Schreibtisch landet.« Ich sah, wie ein Lächeln um Mirellas Mundwinkel zuckte.
»Also ist noch nicht alles verloren?«
Eine sanfte Verbindung baute sich zwischen uns auf. Es fühlte sich gut an. Vertraut, warm und trotzdem neu.
Ich lächelte. »Nein. Noch ist wohl nicht alles verloren.«
~ ENDE ~
Danke an:
Markus, den besten Mann der Welt. Meine Eltern und Heike und Norbert fürs da sein. Yuti für Unzähliges. Geli für Erinnerung und Zukunft. Stephan, den unersetzlichen Zauberer. Berlin. Meine Betaleser, die Gold wert sind. Majas Tintenzirkel. Matthias für die Philosophie der Frösche. Hans Beckmann für den Beginn. Den Besitzer der Beelitzer Heilstätten. Den Wald und das Meer. La Gomera. Und alle anderen, die diese Geschichte ermöglicht haben.
Die Autorin
Yalda Lewin wurde 1978 am Rande der Lüneburger Heide geboren. Erste Geschichten entstanden mit Wachsmalstiften auf der Kinderzimmertapete, spätere auf der schwarzen mechanischen Schreibmaschine ihres Vaters.
Nach dem Abitur folgte ein Studium der Musikwissenschaft, Theaterwissenschaft und Neueren deutschen Literatur an der LMU München, das sie im Jahr 2005 abschloss.
Die Begeisterung fürs Lesen und Schreiben ist geblieben. Heute lebt und arbeitet Yalda Lewin als Heilpraktikerin, Texterin und Übersetzerin in Berlin, hat ein Faible für die 1920er Jahre, medizinische Fachliteratur, Krimis und Tangotanzen und genießt das bunte Leben in Kreuzberg.
Im Jahr 2011 erhielt sie den 1. Preis des Verlages Edition Karo für ihren Weihnachts-Kurzkrimi „Blutperlen“. „Die dunkle Seite des Weiß“ ist ihr erster Roman.
Mehr zur Autorin unter: www.textgoldberlin.blogspot.de und bei Facebook unter www.facebook.com/YaldaLewin
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