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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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uns ohnehin zusammen eingeteilt. Aber vorher muss ich dir noch etwas zeigen.«
    Ich runzelte die Stirn. Simon hatte – was?
    Mirella wandte sich um und ging zu einem Schrank hinüber. Das Glühen auf meiner Haut ließ nach und ich nutzte den Moment, um tief durchzuatmen.
    Mirella zog einen Plastikbeutel aus einer Schublade. »Hier, die Kleidung des Mädchens.«
    »Seltsame Sache, ich habe es im Bericht gelesen«, sagte ich, während ich mir Handschuhe anzog. Dann nahm ich die Kleidungsstücke aus dem Plastikbeutel. Das Mädchen hatte ein weißes Spitzenkleid getragen, wie es zur Kaiserzeit vor einem Jahrhundert üblich gewesen war, eine Korsage darunter und passende Schuhe.
    »Sieht nach Fasching aus.«
    »Im April?« Mirella zog eine Braue hoch. »Netter Scherz, Jakob. Aber das ist kein billiges Karnevalskostüm. Die Stoffe und Spitzen sind hochwertig. Originale.«
    »Sie ist so in der Ruine herumgelaufen?« Ich rieb mir gedankenverloren über das Kinn. »Vielleicht ein Treffen mit Gleichgesinnten? K&K-Kostümpartys? Wer weiß, auf welche Ideen Jugendliche so kommen. Und solche Klamotten gibt's bestimmt im Second Hand Shop. Oder im Internet. Oder sie hat sie von ihrer Uroma, was weiß ich.«
    Mirella blickte mich irritiert an. »Hast du die Akten nicht gründlich gelesen?«
    Ich runzelte die Stirn. »Doch, natürlich. Was meinst du?«
    »Dann solltest du wissen, dass es Originale sind.«
    Sie machte eine bedeutsame Pause und ich spürte ein unangenehmes Kribbeln im Magen. Hatte ich etwas übersehen? Das konnte nicht sein. Ich war mir vollkommen sicher, alle Akten gründlich gesichtet zu haben. Es war nicht meine Art, etwas zu übersehen. »Und warum sollte ich das bitteschön wissen?«
    Mirella griff in die Plastiktüte und zog ein schmales, in Leder gebundenes Buch hervor. Der Einband war abgegriffen und rissig und sie musste vorsichtig sein, damit das Buch nicht vollkommen auseinanderfiel. »Das hier wurde bei ihr gefunden. Ein Tagebuch.«
    Ich hob die Brauen. »Nicht besonders ungewöhnlich, oder? Wahrscheinlich hat so gut wie jedes Mädchen ein Tagebuch, dem es seine Träume, Wünsche und Ängste anvertraut.«
    Mirella lächelte matt. »Da spricht der Experte … Ja, ein Tagebuch ist der beste Freund, den man haben kann. Und so verschwiegen. Außer jemand findet es über 100 Jahre später in den Händen einer Leiche.« Sie heftete den Blick auf mich. »Das Tagebuch ist aus dem Jahr 1911.«
    Ich starrte für einen Augenblick wie paralysiert auf das schmale Bändchen, das sie mir hinhielt. Dann griff ich danach. Als Mirellas und meine Hand sich berührten, durchzuckte es mich wie ein Stromschlag. Die Zeit schien plötzlich rückwärts zu laufen. Erinnerungen stiegen auf, Mirella an meiner Seite, ein Sonntagmorgen, ihre weiche Haut an meiner – dann lösten sich unsere Finger voneinander. Mirella trat einen Schritt zurück. Es lag ein merkwürdiges Schimmern in ihren grauen Augen. Oder bildete ich mir das ein?
    Das Leder des Bucheinbandes lag rau und brüchig in meiner Hand. Rau und brüchig mein Herzschlag. Ich schluckte schwer und suchte nach Worten, von denen keines passend zu sein schien. Zum Teufel mit der Vergangenheit! Was, wenn ich Mirella einfach fragte, ob –
    In diesem Augenblick erklang ein Räuspern hinter uns. Wir wirbelten herum, als hätte man uns bei etwas Verbotenem ertappt.
    »Es ist seltsam...«Hades lehnte lässig mit dem Rücken an einem der Kühlfächer, deren silbrig glänzende Türen die hintere Wand des Raumes vollkommen einnahmen.
    Der Rechtsmediziner musste hereingekommen sein, während Mirella und ich in das Gespräch über das Tagebuch vertieft gewesen waren. Ich hatte keine Ahnung, wie lange er schon da war. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er den Raum betreten hatte. In Mirellas Anwesenheit war ich einfach nicht bei der Sache. Kein gutes Zeichen.
    Hades ließ den Blick von mir zu Mirella und wieder zurück schweifen und grinste breit. Für einen Augenblick wünschte ich, seine Gedanken lesen zu können. Es gab Mitglieder der Akademie, die dazu fähig waren. Ich gehörte nicht dazu. Leider.
    Ich riss mich zusammen. »Was ist seltsam?«
    Hades streckte sich genüsslich. Dann zog er die durchsichtigen Einmalhandschuhe von den Fingern, ließ sie sorgsam in einen dafür aufgestellten Behälter fallen und schlenderte zum Waschbecken. Während er das Wasser aufdrehte und seine Hände gründlich mit Seife wusch, fuhr er fort zu sprechen. »Eure Leiche. Wirklich seltsam. Sie

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