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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yalda Lewin
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ohnehin in wenigen Stunden wieder dorthin musste. Stattdessen hatte er die Gelegenheit genutzt und ein Rezept seiner irischen Großmutter wieder ausgegraben. Die besten Frühstücksbrötchen, die ich je gegessen habe. Zumindest in den Räumlichkeiten eines pathologischen Instituts.
    »Ich nehme an, du willst sie sehen?«
    Simons Stimme riss mich aus meinen Erinnerungen. Irritiert und mit den Gedanken noch bei den Brötchen sah ich ihn an. »Wie bitte? Wen?«
    »Die Leiche des Mädchens. Sie ist in der Pathologie. Du kennst ja den Weg.«
    Ansehen. Ja, unbedingt, dachte ich. Mein Magen krampfte sich zusammen. Leichenschauen waren mir immer zuwider gewesen. Und die letzte war immerhin schon einige Jahre her.
    »Gut, dann wäre das ja geklärt. Eins noch, bevor du gehst.«
    Simon erhob sich, ging zu einem Schrank im hinteren Teil des Büros und öffnete ihn. Dann kam er zurück und legte eine Waffe und den dazugehörigen Pistolengürtel auf den Tisch. Ich schluckte schwer. Meine alte Waffe. Eine Walther P99.
    »Die hat auf dich gewartet«, sagte Simon leise und zum ersten Mal legte sich ein weicherer Ausdruck über sein Gesicht.
    Mit zitternder Hand griff ich nach dem Gürtel, legte ihn um und steckte die Waffe in das Halfter.
    Ich nickte Simon zu und verließ das Büro ohne ein weiteres Wort. Ich musste zu dieser Leiche, ob es mir gefiel oder nicht. Aber ein Gutes hatte es: Wo Leichen waren, da war auch Hades.
    *
    »Ein Jammer, oder? So eine Schönheit.«
    Ich löste meinen Blick von dem leblosen Körper des Mädchens und wirbelte herum. Mirella lehnte im Türrahmen der Pathologie und musterte mich. Ihre braunen Locken trug sie straff nach hinten gebunden, die dunkelgraue Uniformjacke über der schwarzen Hose exakt geknöpft, und die strenge Kühle ihres Auftretens stand im irritierenden Widerspruch zu dem sanften Lächeln in ihren Augen.
    »Ja«, sagte ich und kreuzte die Arme vor der Brust. »Wirklich furchtbar.«
    Das leblose Mädchen lag wie eine entrückte Elfe auf dem kühl schimmernden Stahl des Seziertisches. Ihre bleiche Haut wirkte zart wie chinesisches Papier und selbst die unübersehbaren Totenflecken konnten ihr nichts von der zerbrechlichen Schönheit nehmen. Lange, blonde Haare schmiegten sich um Gesicht und Schultern. Sie wirkte so friedlich, als schlummere sie. Und auch der Geruch, der mich ansonsten immer einen großen Bogen um die Pathologie machen ließ, hielt sich in Grenzen. Das Mädchen konnte noch nicht lange tot sein.
    Mirella lächelte. »Ich freue mich, dass du wieder an Bord bist«, sagte sie, während unsere Blicke aneinanderhingen, als könnten sie sich nie wieder voneinander lösen.
    »Ich bin nicht wieder an Bord«, entgegnete ich ruhig. »Ich mache das nur wegen der Tuberkulose. Ein Zwischenspiel. Danach ist endgültig Schluss.«
    Mirellas Augen blitzten. Langsam trat sie einen weiteren Schritt auf mich zu. Ich spürte ihre Gegenwart wie das aufgeladene Prickeln der Atmosphäre kurz vor einem Gewitter, und es wurde umso stärker, je näher sie mir kam. Dicht vor mir blieb sie stehen. So nah, dass unsere Körper sich fast berührten.
    »Und was wird das jetzt?«, fragte ich leise und ärgerte mich über das heisere Reiben in meiner Stimme.
    »Ich muss wissen, woran ich bin«, entgegnete Mirella, ohne den Blick von mir zu lösen.
    Sie legte die Hand auf meine Brust und strich wie in Zeitlupe an meinem Oberkörper nach unten. Ich nahm ihre Berührung wahr wie ein Glühen, nur durch den dünnen Stoff eines Hemdes von meiner Haut entfernt. Sah den scharlachroten Lack auf ihren Fingernägeln wie zum ersten Mal und schluckte schwer, doch ich rührte mich keinen Millimeter von der Stelle. Mirellas Hand glitt seitlich unter meinen Mantel, bis ihre Finger das kühle Metall der Pistole streiften. Ein ironisches Lächeln huschte über ihr Gesicht.
    »So so, du bist also nicht wieder an Bord«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Dafür sind das hier aber mächtig überzeugende Argumente …«
    Ich unterdrückte das Beben, das sich in mir ausbreitete. »Ich kann die Waffe jederzeit wieder abgeben. Und den Fall auch. Und ich werde beides ohne mit der Wimper zu zucken tun, wenn ich das für richtig halte.«
    Mirella musterte mich, noch immer ein rätselhaftes Funkeln in den Augen. »Tatsächlich.«
    »Ja, tatsächlich. Und jetzt fahre ich nach Beelitz. Kommst du mit?«
    Mirellas Mundwinkel zuckte. »Dass du mich das fragst«, sagte sie leise. »Ausgerechnet.« Dann nickte sie. »Ja, ich komme mit. Simon hat

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