Die dunkle Seite
und vermutlich auch bei ZERO, ebenso wie Marmann und Üsker. Sie alle hatten für Geld gekämpft, vielleicht sogar gemordet.
Und jetzt war Üsker tot.
Alles ein dummer Zufall, wie Bathge ihr weiszumachen versuchte?
Lächerlich! Warum hatte er ihr nicht gesagt, daß er Üsker persönlich kannte und selber bei der Legion gewesen war? Nachdem sie ihn schon einmal zur Rede gestellt hatte, hätte das keinen Unterschied mehr gemacht.
Kurz erwog sie, Roth anzurufen. Sie war zurück in ihr Büro gefahren, ohne ihm zu sagen, daß sie Bathge auf dem Bild erkannt hatte.
Aber Roth hatte natürlich recht. Wie es aussah, hielt sie den Schlüssel zur Aufklärung des Falles in Händen. Daß Bathge aufgetaucht war, um Marmann suchen zu lassen, wenige Tage, nachdem Üsker ermordet worden war, konnte kein Zufall sein. Am Ende stellte sich eigentlich nur die Frage, wer von beiden Üsker auf dem Gewissen hatte, Marmann oder Bathge. Und warum.
Du spinnst, sagte sie sich. Was phantasierst du dir da zusammen, bloß weil ein paar Leute zusammen auf einem Foto zu sehen sind?
Bathge war ihr Klient. Nur das galt. Er hatte sie für zwei Wochen bezahlt. Sie hatte vielleicht das Recht, ihm Fragen zu stellen, nicht aber, ihn aufgrund einer vagen Verdächtigung an die Kripo auszuliefern. Natürlich wollte er von ihr nicht mit dem Mord in Verbindung gebracht werden. Natürlich hätte sie den Fall abgelehnt, wenn sie Üsker mit Marmann auf dem Bild gesehen hätte. Zumindest würde sie einen Haufen Erklärungen verlangt haben, und Bathge wollte nichts erklären. Sie war Dienstleisterin. Er bezahlte.
Er hatte ihr gar nichts zu erklären.
Und natürlich hatte er auch dann noch lügen müssen, als sie ihm auf den Kopf zusagte, daß er Üsker kannte. Warum sollte er sie ins Vertrauen ziehen? Die Wahrheit machte ihn nur verdächtig. Je offensichtlicher seine Verbindung zu dem toten Türken wurde, desto eher mußte sie ja davon ausgehen, daß er in den Fall verwickelt war. Eben das hatte er verhindern wollen. Bathge wollte, daß sie etwas für ihn tat, nicht, daß sie ihm Schwierigkeiten machte.
Klang das passabel?
Es klang lausig!
Also noch mal von vorn: Suchte Bathge nach Marmann, um ihn daran zu hindern, weitere Morde zu begehen? Oder um ihn auszuschalten, so wie Üsker? Hatte er Angst vor Marmann, worauf Vera gewettet hätte? Oder hatte Marmann Grund, Bathge zu fürchten?
Oder versteckten sich beide vor Üskers Mörder, der nämlich ganz jemand anderer war, und zwar ...
Sie kam nicht weiter. Nichts von alledem brachte sie weiter. Sie steckte fest.
Jede andere, dachte sie, würde zur Polizei gehen oder den Fall abgeben. Warum du nicht, blöde Ziege? Was ist an dem Typ dran, daß du nicht auf der Stelle Roth anrufst? Selbst wenn erʹs nicht gewesen ist, könnte Bathge Hinweise geben. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was augenblicklich im Waidmarkt los war. Nach jedem Strohhalm würden sie greifen. Ein Anruf, und Bathge wanderte in Untersuchungshaft.
Vera lehnte sich in ihrem schwarzen Ledersessel zurück und betrachtete mißmutig ihre Fingernägel.
Sie wollte den Fall nicht abgeben.
Er reizte sie. Er verhieß die Chance, möglicherweise das ganz gro ße Ding aufzuklären.
Sie. Und nicht die Kripo.
Die Kripo ist nicht Karl, hatte Roth gesagt.
Sie schnaubte unwillig. Was hatte das damit zu tun? Sie stand vor dieser Sache wie vor einer halboffenen Tür, hin‐ und hergerissen zwischen Weglaufen und Hineingehen. Es war dieser Reiz und die Aussicht, Presse für die DeTechtei zu bekommen. Darum ging es.
Wer fragte nach Karl?
Sollte die Kripo zusehen, wie sie zurechtkam.
Im Grunde hatte sie die besseren Karten. Sie war Bathge voraus.
Das Foto war ihr Trumpf. Er wußte nicht, daß sie eine Kopie des Originals besaß.
Und sie hatte ihn angepeilt.
Er würde ihr einiges zu erklären haben, sicher. Sehr bald schon.
Aber noch sah sie keine Veranlassung, die Arbeit für ihn einzustellen. Auf unbestimmte Weise schien es ihr, als wolle er sogar, daß sie sein Geheimnis aufdeckte.
Und sie wollte es auch.
Vera seufzte.
Also jagte sie augenblicklich zwei geheimnisvollen Unbekannten hinterher. Ihrem eigenen Klienten und dem, den er suchte.
Auch gut. Verdopplung der Trefferquote.
Als erstes checkte sie die Nummer des BMW.
Bathge fuhr einen Mietwagen. Vera hatte nichts anderes vermutet.
Sie widmete sich der Werft.
Eine halbe Stunde später und nach etlichen Telefonaten mit Auskunfteien und Sektionen des Grundbuchamts konnte sie sich ein
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