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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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war, schien sie Menemenci doch auf seltsame Weise vertraut.
    Und plötzlich wußte er, woran ihn das alles erinnerte.
    Ort und Zeit paßten nicht, es hätte Krieg herrschen müssen oder zumindest ein totalitäres Regime. Ansonsten war die Mordsache Üsker ein typischer Fall professioneller Folter mit inoffizieller Genehmigung offizieller Stellen.
    Zugleich wurde Menemenci bewußt, warum es kein Lustmord war und die Tat auf so perfide Weise vernünftig erschien. Es war die Art Folter, wie sie immer noch in vielen Ländern angewendet wurde, um Menschen Geheimnisse zu entreißen und sie dazu zu bringen, andere zu denunzieren. Das probate Mittel der Tyrannen.
    Üsker hatte etwas verraten sollen.
    Daher der Eindruck von Sinn und Zweck. Üskers Peiniger war ein Profi. Ein professioneller Folterknecht, der sich der Wirkung jeder einzelnen Maßnahme voll bewußt war und die Klaviatur der Quälerei perfekt beherrschte. Das Prozedere, dem er Üsker unterworfen hatte, war zu ausgeklügelt, als daß es ein Laie hätte erfinden können. Das hier war hohe Kunst. Was er seinem Opfer angetan hatte, schien wie aus einem Katalog entnommen. Kaltblütig. Nur darauf ausgerichtet, eine bestimmte Kette von Resultaten zu erzielen. Wie bei der Inquisition. Ein Job, mehr nicht.
    Menemenci lehnte sich zurück und strich sich durchs Haar. Er fühlte, wie seine Finger Schweiß verteilten.
    Wenn das alles stimmte, brachte es eine weitere Erkenntnis. Der Mörder mußte Erfahrung gesammelt haben im Dienste einer Institution, die die Menschenrechte verletzte. Das hieß, er hatte eine gewisse Zeit im Ausland zugebracht, in einem Krisengebiet oder in einem totalitären Staat. Er hatte schon einmal gefoltert, mehrfach, oft.
    Und wahrscheinlich auch getötet.
    Mehrfach.
    Oft.
    Wie viele Länder gab es, in denen Menschen gefoltert wurden ?
    Fünfzig, wie Amnesty International derzeit anführte? Oder noch mehr?
    Menemenci schrieb:
    PROFESSIONELLER FOLTERER.
    AUSLANDSAUFENTHALT IN KRISENGEBIET/EN.
    ALTER: 30 BIS 40 JAHRE.
    Sexualverbrecher waren jünger. Demgegenüber zeigte die Erfahrung, daß die Quote der Extremtäter jenseits der vierzig rapide sank. Zudem glaubte Menemenci nicht, daß die Zeiten, in denen der Mörder das Foltern gelernt hatte, allzu lange zurücklagen. Die letzten zehn Jahre hatten vor allem in den reichen Industrienationen eine Bereitschaft zur bewaffneten Auseinandersetzung mit sich gebracht. Jünger als dreißig würde er nicht sein, weil er gewisse Erfahrungen hatte sammeln müssen, älter als vierzig aber auch nicht.
    Folterer waren selten politische Idealisten, sie vertraten entweder sehr einfache Ideen und wiesen sich durch geringe Intelligenz aus, oder sie waren auf abgründige Weise kreativ und verdingten sich für Geld, damit sich ein anderer nicht die Finger schmutzig machen mußte. Im allgemeinen geschah das, wenn sich herausstellte, daß sie im normalen Leben gescheitert waren, und das wußten sie wenige Jahre nach Schulabschluß. Sie waren durch die Bank sadistisch veranlagt, wenngleich ihr Handeln zweckgerichtet war und man sie in den wenigsten Fällen als Lustmörder bezeichnen konnte.
    Im Grunde waren sie wie alle, die sich eine Arbeit suchen. Sie versuchten, ihr Geld mit etwas zu verdienen, das ihnen Spaß machte.
    Wenn Üskers Mörder sich, wie Menemenci vermutete, verkauft hatte, konnte er nicht älter als vierzig und nicht jünger als dreißig sein.
    Außerdem war er alles andere als dumm. Er brauchte keine Anweisungen und richtete es ein, ungesehen aufzutauchen und wieder zu verschwinden. Alles an seiner Tat wies auf einen sorgfältig planenden Menschen hin, der es verstand, sein Handeln unterschiedlichen Entwicklungen anzugleichen. Kein dumpfer Schlächter, sondern in höchstem Maße geordnet und kontrolliert, extrem zielorientiert und psychisch hochbelastbar. Weder war er an Ort und Stelle in Panik geraten, was sich im Hinterlassen von Fingerabdrücken, Erbrechen oder Tatabbruch ausgedrückt hätte. Noch hatte er ein schlechtes Gewissen gezeigt. Viele Mörder schämten sich ihrer Tat und bedeckten die Leiche mit einem Tuch oder einem Kleidungsstück. Ihre absurde Art, Reue zu demonstrieren.
    Er hatte nichts dergleichen getan.
    Nur gefoltert, zugehört und weiter gefoltert.
    In seiner Vergangenheit würden sich erste Anzeichen finden. Quä len und Verstümmeln kleiner Tiere. Ungewöhnliche Brutalität gegenüber Schulkameraden. Kaputte Familienverhältnisse, wie sie bei allen psychopathisch veranlagten Mördern

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