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Die dunkle Seite

Die dunkle Seite

Titel: Die dunkle Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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sich um winzige Mengen handelt. Zu Testzwecken. In Blei versiegelt. Ungefährlicher als der Verzehr einer Currywurst.«
    »Wir werden sehen«, sagte Vera in Anspielung auf die vorgefertigte Meinung ihres Gegenübers. Für ihren Auftraggeber stand der Schuldige fest. Der impertinente Nachbar schien überhaupt an allem schuld zu sein, was in der Welt und ganz speziell im Frankenforst schiefging.
    »Das Arschloch macht einen Aufstand, als würde hier morgen alles in die Luft fliegen«, ereiferte sich ihr Auftraggeber. »Ich hab gesagt, hier ist nicht Tschernobyl. Hier ist eine Vetriebsfirma für Detektoren. Detektoren, um deinen blöden Koffer am Flughafen zu durchleuchten! Er labert mich voll mit Krebs und entstellten Kindern. Dieser Scheißkerl. Er weiß überhaupt nichts. Bloß weil das Fernsehen irgendeinen Mist erzählt.«
    Vera betrachtete ihn. Gepflegte Erscheinung. Sauber frisiert, dunkler Anzug.
    Warum klang der Mann wie ein Fäkalienwörterbuch?

    Sie konnte das Funkeln in seinen Augen sehen, das anstelle der Faust zuschlug, immer und immer wieder. Würde man ihm einen Freibrief ausstellen, stand zu erwarten, daß sein übereifriger Nachbar innerhalb der nächsten zehn Minuten in seinem Blut schwamm.
    Der kleine Psychopath. Eine Gesellschaft kleiner Psychopathen.
    »Ich habe drei Spider‐Cams installiert«, sagte sie ruhig. »Das müß te reichen.«
    Ihr Gegenüber verzog das Gesicht.
    »Drei was?«
    »Digitalkameras. Die Daten werden mir über Satellit zugespielt.
    Sobald jemand die Räumlichkeiten nach neunzehn Uhr betritt, erhalte ich die Information in Echtzeit. Ich kann die Polizei rufen, wenn Sie es wünschen. Oder ich rufe Sie an und Sie tun es. Die andere Möglichkeit ist, daß ich mir die Aufzeichnungen morgen ansehe.«
    »Was ist denn besser?«
    »Wenn sich Ihr nächtlicher Einsteiger sicher fühlt, müssen wir ihm das Gesetz nicht postwendend auf den Hals hetzen. Es reicht, wenn ich die Aufzeichnungen sichte.«
    »Wie bitte? Das sind mehr als zwölf Stunden Material! Wie wollen Sie das schaffen?«
    »Ich schaffʹs in zehn Minuten. Möchten Sie einen Pieper?«
    »Einen, ahm ... was?«
    Sie drückte ihm einen flachen, schwarzen Gegenstand in die Hand.
    »Ein Pieper. Er informiert sie, wenn jemand widerrechtlich eindringt. Wir können ihn im Raum anbringen. Ein Bewegungsmelder.«
    »Das heißt, ich könnte... wenn das Ding piept, fahre ich hierher und sehe nach, ob ... also, ich weiß nicht. Halten Sie das für notwendig?«
    »Es gibt Klienten, die so was wollen.«
    »Ich eigentlich eher nicht.«

    »Kein Problem.« Vera nahm ihm das Ding wieder ab und setzte ihre zuversichtlichste Miene auf. »Mir ist es lieber so. Er wird uns auch so auf den Leim gehen.«
    »Soviel Elektronik«, wunderte sich der Firmenchef und lachte nervös. »Früher haben Detektive noch hinterm Vorhang gestanden, was?«
    »Früher sagte man auch: Hände hoch, oder ich schieße.«
    »So?« Der Firmenchef klang verwirrt. »Und was sagt man heute?«
    »Nichts. Heute schießt die Kamera.«

19.00 Uhr. Nicole
    Nicole Wüllenrath, geborene Marmann, wohnte am Volksgarten in einem modernen Haus, das sich schmucklos und häßlich zwischen die würdigen Altbauten drängte.
    Vera war zu Fuß gegangen und wünschte sich, sie hätte es gelassen. Mittlerweile machten sich die Scharen eigenwilliger Gestalten, die um Geld und Zigaretten bettelten, auf dem gesamten Ring und sogar entlang der Volksgartenstraße breit. Kurz hinter dem Eifelplatz stellte sich ihr ein Bursche, der aussah wie vierzig und wahrscheinlich eben mal zwanzig war, in den Weg.
    »Ich stecke in einem sozialökonomischen Desaster«, sagte er mit flatternden Lidern.
    Vera ging weiter, ohne ihn zu beachten. Er blinzelte und heftete sich an ihre Fersen.
    »Ich brauche achtzehn Pfennige«, sagte er atemlos. »Das ist ein zu ungewöhnlicher Betrag, als daß Sie einfach weitergehen können.
    Und ich weiß mich auszudrücken. Apokryph! Kryptisch! Epistemologie! Ich kann Fremdwörter. Sie können was von mir lernen, gnä dige Frau. Für achtzehn Pfennige.«
    »Verzieh dich«, knurrte Vera ihn an.
    »Wir haben ein Fernsehgerät in der Gruppe«, plapperte er weiter.
    »Einer von uns hat einen festen Wohnsitz, und wir haben zusammengelegt. Aus dem Fernsehen erfährt man immer noch die nützlichsten Sachen. Daher weiß ich soviel. Ich passe eben auf, ich bin ja nicht blöd. Wollen Sie nicht wissen, was ein sozialökonomisches Desaster ist?«
    »Ich vermute, es kostet achtzehn Pfennige,

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