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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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Dosen mit Reinigungsmitteln und Rattengift untergebracht, ferner eine Pappkiste mit von Besuchern vergessenen Gegenständen.
    »Gibt es hier unten etwa Ratten?«, fragte Bronny.
    »Nicht, wenn wir dieses Zeug benutzen«, sagte Esther. »Aber Sie dürfen das nicht!«, rief sie ihr ins Gedächtnis. »Dazu muss man zum Fachpersonal gehören und eine abgeschlossene Ausbildung haben.«
    »Was ist denn das hier?« Bronny deutete auf zwei große Strohbüschel, die zu einer Art Besen zusammengebunden waren.
    »Die sind für das Schmeissing .«
    »Schmeissing?«
    »Manche Männer benutzen sie im Dampfbad, um sich damit gegenseitig zu schlagen. Ihre Verwendung ist nicht erlaubt. Die hier sind neulich beim Männertag konfisziert worden.«
    Esthers Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, während sie Bronny einige unbehagliche Sekunden lang anstarrte. »Kommen Sie bloß nicht auf dumme Gedanken«, sagte sie.
    »Was für Gedanken?«, fragte Bronny.
    Australier kamen auf allerlei Gedanken, davon konnte Esther ein Lied singen. Sie sah es dem Blick ihrer Welpenaugen an, dass die junge Frau vor ihr imstande war, eine ihrer heroinsüchtigen, lesbischen Freundinnen noch in dieser Nacht mit einem behelfsmäßigen Strohbesen zu verhauen.
    ***
    Während ihrer ersten Schicht vermied Bronny es mit vorbildlicher Entschlossenheit, fremder Intimzonen ansichtig zu werden. In Anbetracht der Tatsache, dass alle Frauen im Bad pudelnackt waren, stellte sich diese Aufgabe als gar nicht so leicht dar. Im Dampfbad blickte sie züchtig zu Boden, bei den Entspannungsliegen blickte sie züchtig zur Decke, und wenn sie die Treppe neben dem Tauchbecken hinabging, blickte sie züchtig zur Seite. An der Handtuchausgabe erschien es ihr ratsam, die Augen völlig geschlossen zu halten. Als sie sie doch einmal öffnete, um eine Frage zu beantworten, schaute sie von ihrem amtlichen Handtuchvergabestuhl aus direkt in eine Vagina. Nach Luft schnappend, warf sie der Kundin ein Handtuch zu und schloss unverzüglich die Augen.
    Bald musste Bronny feststellen, dass dies keine freundliche Umgebung war. Die Kundinnen schienen wild entschlossen, zu entspannen, zu entspannen, zu entspannen. Dem Personal schenkten sie überhaupt keine Beachtung, und nach Plaudereien stand ihnen auch nicht der Sinn. Außer Esther arbeiteten an den Frauentagen nur noch zwei weitere Angestellte hier: Kate (nackt, Teilzeit) und Fäustling-Woman.
    Fäustling-Woman verließ niemals den Abreibungsraum. Das war ein quadratisches Areal gegenüber den Duschen im Untergeschoss, wo nackte Kundinnen sich derart bereitwillig auf ihrer harten Zementplatte ausstreckten, als ob sie bereits im Leichenschauhaus wären. Ihr dünner Körper steckte stets in Turnhose und ärmellosem Trikot. Fäustling-Woman war ungefähr dreißig Jahre alt, hatte lockiges Haar und begegnete der Welt mit einer Dauergrimasse. Ihre Hände steckten in großen Fäustlingen, mit denen sie ihre Kundinnen wundrieb. Hautpartikel schwebten wie Schnee zu Boden, wo sie unter Einwirkung der Luftfeuchtigkeit eine dicke, dunkle Schicht aus Hautschmadder bildeten. Fäustling-Woman sprach niemals ein Wort. Ihre Massagehandschuhe sprachen für sich.
    ***
    An ihrem ersten Arbeitstag kehrte Bronny um zehn Uhr abends in das große Haus zurück. Da ihr Schlüssel seit dem Jeanstausch nicht mehr aufgetaucht war, klopfte sie an die Tür und wartete, bis ein bekiffter Mitbewohner sie einließ. Im Wohnzimmer saßen sieben weitere Gestalten mit bedröhntem Gesichtsausdruck herum, darunter auch die drei Neubewohner Porchester-Pete, Kaiserschnitt-Cheryl-Anne und Gitarren-Zach.
    Cheryl-Anne hatte ihr T-Shirt ausgezogen und starrte auf etwas Unsichtbares, das sich in mittlerer Entfernung vor ihr zu befinden schien. Fliss hatte sich Zach gegenüber positioniert und trug ihren üblichen Minirock. Zach hatte aufgehört, Believe zu spielen, seit er bemerkt hatte, dass ihm eine fast unbehinderte Sicht auf Fliss’ kostbarere Teile gewährt wurde.
    Bronny war verkatert und erschöpft, aber es war ihr immer noch ernst mit ihrem Gelöbnis, das Leben zu leben. Also sammelte sie ihre letzten Kräfte, um sich mit den anderen eine improvisierte Wasserpfeife zu teilen (das Wasser blubberte in einem Eimer) und an einer langatmigen Diskussion darüber teilzunehmen, worum sich die Diskussion eigentlich drehe.
    ***
    Um drei Uhr früh schreckte Bronny aus einem Traum hoch. Sie war zu Hause in Kilburn gewesen, und das braune Siebziger-Jahre-Backsteinhaus hatte genau an der

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