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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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dran, die Fassung zu verlieren.
    »Hast du mein Flugticket gesehen?«
    »Was? Nein«, sagte ich.
    James befragte nacheinander alle anderen, die im Zimmer waren. Dabei machte er eine Menge Radau und zog sich den Missmut derer zu, die sich in ihrem Schönheitsschlaf gestört sahen.
    »Halt den Mund, James«, sagte die in Löffelchenstellung an mich geschmiegte Fliss.
    »Mach dich vom Acker!«, sagte das Mädel mit den blauen Ohrringen.
    James rüttelte so stark an ihrer Schulter, dass die Ohrringe baumelten: »Aber ich hab es dir da drüben in der Ecke gezeigt!«
    »Hau ab, Mann«, sagte ein Typ hinter dem Sofa, und drei andere stimmten von unterschiedlichen Stellen auf dem Fußboden ein:
    »Halt verdammt noch mal den Mund!«
    »Arschloch!«
    »Verpiss dich, James.«
    Und das tat er. Er verpisste sich ins Royal, wo er sich erst mit der Qantas, dann mit der Reiseversicherung und schließlich mit seiner (Ex-)Freundin am Telefon zankte. An diesem Abend machte er ein so langes Gesicht, dass unser Vergnügen an America’s Next Top Model (fünfte Staffel, sechste Folge) ernsthaft getrübt wurde. Wir kamen daraufhin zu dem Schluss, dass James eine ziemliche Nervensäge sei und wir ihn sowieso nie sonderlich gemocht hätten. Kurze Zeit später zog er nach Earls Court.
    ***
    Irgendwann im Verlauf des nächsten Vormittags erhob ich mich schwerfällig vom Wohnzimmerfußboden. Cheryl-Anne, Fliss, Hamish und ich hatten den größten Teil des Wochenendes damit verbracht, Fernsehen zu glotzen, irgendwelchen Fraß in uns hineinzulöffeln und verschiedene Drogen auszuprobieren, die einem angeblich dabei halfen, von verschiedenen anderen Drogen herunterzukommen. Ich war nicht mal in die Nähe meines Zimmers gekommen, sondern hatte es vorgezogen, auf der Matratze im Wohnzimmer zu schlafen. Seltsame Geräusche hatte ich keine gehört. Ich fing schon an, mich zu fragen, ob das Ganze etwas mit den Abwasserrohren oder den Wasserleitungen zu tun haben könnte, zumal mein Zimmer einen ausgesprochen feuchten und ranzigen Geruch verströmte.
    Nachdem ich mich schwerfällig von der Wohnzimmermatratze erhoben hatte, tauschten Hamish und ich – endlich – unsere Klamotten zurück. Dann gingen wir auf große London-Tour: Buckingham Palace, dieser Spielzeugladen und Harrods. Ich fühlte mich ausgesprochen wohl in Hamishs Gegenwart. Mein erster richtiger Männerfreund. Androgyn, würde ich sagen. Kein bisschen pervers. Wenn überhaupt etwas an ihm komisch war, dann, dass er sich kaum für Frauen zu interessieren schien. Auf der London Bridge aßen wir selbst gemachte Ernussbutter-Sandwiches.
    »Willst du auf das London Eye ?«, fragte er.
    »Ich hab Höhenangst.«
    »Wie wär’s mit dem London Dungeon ? Das ist dieses Gruselkabinett.«
    »Ich hab gehört, dass es da wirklich gruselig sein soll.«
    Also unterhielten wir uns über das ländliche Victoria, wo seine gute Freundin gelebt hatte. Er war in Ballarat gewesen, bevor wir uns auf dem Flug begegnet waren, und hatte die Kolonialgebäude des Ortes ebenso wie dessen Vergangenheit als Goldgräberstadt sehr interessant gefunden.
    »Am Souvereign Hill habe ich Gold im Wert von zwei Dollar gefunden!«, sagte er.
    »Dir ist klar, dass sie es jeden Morgen dort verbuddeln?«
    »Ich weiß. Komischerweise wird es dadurch nicht weniger aufregend.«
    Er war der erste Kanadier, dem ich jemals begegnet bin, und wenn man auch nur annähernd von ihm auf die anderen schließen konnte, dann waren Kanadier die bodenständigsten, umgänglichsten Menschen der Welt.
    Als wir von unserer Stadtrundfahrt zurückkehrten, war Francesco in der Küche damit beschäftigt, etwas Extravagantes zu kochen und vertraulich mit Pete zu tuscheln. Sie erinnerten mich ein bisschen an gehässige Mitschülerinnen, denn es war klar, dass sie über uns sprachen. Ich ignorierte die beiden und ging ins Wohnzimmer, um mit meinem guten Freund Hamish fernzusehen.
    Gegen vier Uhr früh ging uns das Marihuana aus. Ich erklärte mich bereit, Hamish zu Bobby Rainproof zu begleiten, der in dem polnischen Club auf der anderen Straßenseite residierte.
    »Und was macht der so?«, fragte ich Hamish, als wir die Straße überquerten.
    »Er ist Drogendealer.«
    »Oh.« Ich wusste natürlich, dass wir Gras von ihm kaufen wollten, aber aus irgendeinem Grund entsprach das nicht meiner Definition von Drogenhandel. Immerhin war ich eine Achtzehnjährige aus guter, wenn auch genetisch verhunzter Familie.
    Bobby Rainproof saß mit drei ältlichen Polen

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