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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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richtigen Stelle auf halber Höhe der Station Street gestanden. An einem Ende der Straße, wo Mr Todd seine Pferde hielt, befand sich die stillgelegte Bahnlinie, am anderen Ende die Schinkenfabrik. Früher hatte Bronny diese Umgebung ganz normal gefunden – das Quieken der Schweine, die nachts geschlachtet wurden, Mr Todd, der in seinen staubigen Klamotten auf der Erde schlief. Doch in ihrem Traum erschien ihr nichts mehr normal. Sie war die alten Gleise entlanggelaufen, und Mr Todd hatte auf fast schon gespenstische Weise klar gewirkt: Wie ein Geist hatte er bei seinen Pferden gestanden und Bronny angestarrt. Dann war sie an der Schinkenfabrik vorbeigekommen, und die Schweine hatten nicht gequiekt, sondern waren langsam und schweigend ins Schlachthaus getrottet. Während des Gehens waren Bronnys Schritte immer größer und höher geworden, und schließlich hatte sie sich in die Lüfte erhoben. Gerade als sie ihr Zuhause ansteuern wollte, war sie direkt darüber hinweggesprungen und auf der gegenüberliegenden Seite gelandet. Zwar war sie zurückgesprungen, aber diesmal war sie sogar noch weiter entfernt gelandet. Ursula hatte auf der Veranda gestanden und auf sie gewartet, aber nach einer Weile waren Bronnys Sprünge so groß und so hoch gewesen, dass sie ihre Schwester kaum noch erkennen konnte.
    Schweißgebadet schreckte sie hoch. Sie erhob sich von ihrer Matratze und ging in das kleine Badezimmer nebenan. Im Haus war es völlig still. Alle waren entweder zu Bett gegangen oder im Wohnzimmer eingeschlafen. Sie drehte das Wasser auf, trank einen Schluck aus dem Hahn und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht. Nachdem sie gepinkelt hatte, tappte sie durch die Eingangsdiele zurück in ihr Zimmer. In der Diele fiel ihr zum ersten Mal eine Tür unter der Treppe auf. Sie versuchte, sie zu öffnen, aber die Tür war abgeschlossen.
    Sie konnte lange nicht einschlafen. Das lag nicht nur an den Nachwirkungen ihres Albtraums, sondern auch an Francesco. Sie hatte sich das doch nicht alles eingebildet, oder? Die Chemie zwischen ihnen. Wie gut sie sich verstanden. Sie sehnte sich nach ihm, aber jetzt hatte er eine Wut auf sie, und sie konnte es ihm nicht mal verübeln. Er hatte sie gebeten, nicht in das leer stehende Haus einzubrechen, und sie hatte es trotzdem getan.
    Als sie gegen sieben Uhr endlich wegdämmerte, kehrte der Traum zurück. Bronny konnte jetzt weder Ursula noch ihren Vater klar erkennen. Die beiden standen wartend auf der Veranda und schrumpften mit jedem ihrer größer werdenden Sprünge. Die Angst und ein seltsames Geräusch ließen sie hochschrecken. Ein Kratzen. Noch eins. Kerzengerade saß sie auf ihrer Matratze. Dann stand sie auf und sah erst in den kleinen Garten hinaus, dann in die Diele. Ob das Geräusch aus ihrem Traum stammte? Vielleicht die Schweine, die nachts quiekten? Sie ging ins Wohnzimmer, aber hier war nichts als das Schnarchen zu hören, das aus Rays offenem Mund drang. Er musste vor dem Fernseher eingeschlafen sein.
    »Ray, hast du das auch gehört? Ray?«
    Er schnaubte und drehte sich auf die andere Seite.
    In der Küche war auch nichts zu hören, und im ersten Stock ebenfalls nicht. Sie ging zurück ins Erdgeschoss und öffnete die Vordertür. Nichts. Sie ging durch die Küche in den Garten. Nichts. Sie ging ins Bett. Sie wurde wohl langsam verrückt.
    BUMM! Als ob ein schweres Holzfenster zuknallen würde. Bronny sprang aus dem Bett und öffnete vorsichtig die Tür.
    Sie schrie laut auf, als sie Pete direkt vor ihrer Tür stehen sah.
    »Alles in Ordnung bei dir?«, fragte er und tat einen Schritt in ihr Zimmer.
    »Raus!«, sagte Bronny.
    Pete rührte sich nicht von der Stelle.
    »Raus aus meinem Zimmer!«
    Bronny lauschte, wie er die Tür hinter sich schloss, die Treppe hochging und das Zimmer über ihr betrat. Sie fröstelte, und schlafen konnte sie auch nicht mehr.

7
    Als ich aufstand, war Pete schon zur Arbeit gegangen. Beim Frühstück fragte ich alle, ob sie gut geschlafen hätten. Ihre gleichgültigen Reaktionen zeigten, dass außer mir niemand etwas Ungewöhnliches gehört hatte. Ich erkundigte mich bei einigen Leuten, was sie über Pete wussten. Niemand wusste irgendetwas über ihn, aber alle schienen ihn zu mögen. Ich nicht.
    Beiläufig fragte ich Ray, den Schlosser, ob er die Tür zu dem Wandschrank unter der Treppe für mich öffnen könne. »Ich wüsste zu gern, was da drin ist«, sagte ich.
    »Kein Problem. Sobald du von der Arbeit zurück bist«, versicherte er

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