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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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»ihren« Raum und schrie nach oben in die Dämmerung des Lüftungsschachts. Blut sprudelte aus all den Schnitten, die sie sich bei ihrer Befreiung zugefügt hatte. Zum ersten Mal seit fünf Wochen stand sie aufrecht da. Sie zitterte am ganzen Leib und wartete auf den geeigneten Moment, um den Stuhl hochzuheben und ihn gegen die Decke zu schlagen. Es fühlte sich an, als ob sie ein Auto hochheben würde.
    Die Schallplatte machte einen Sprung. Sie schrie, aber das Lied hatte von vorn begonnen und übertönte sie. Sie kroch, eine dickflüssige Blutspur hinter sich lassend, in den Vorraum zurück und öffnete die Tür zu dem stinkenden Zimmer. Mit geschlossenen Augen streckte sie die Hand nach oben aus und drückte den Schalter im Sicherungskasten.
    Es wurde still.
    Celia sackte in einer Pfütze aus ihrem eigenen Blut zusammen. Sie sammelte den letzten Rest Kraft in ihrem zerfallenden Körper und rief:
    »HILFE! HILFE! BITTE HELFEN SIE MIR!«

29
    In Windeseile zog ich meinen Netzballrock und ein Polohemd an und rannte auf der Suche nach einer Falltür oder einem anderen Kellerzugang durchs Erdgeschoss. Ich stürzte hinaus in den Garten, und dort fiel mir ein offenes Gitter auf. Als ich niederkniete, um hindurchzuschauen, musste ich mich beinahe übergeben: Da war ein Raum, dessen Boden völlig mit Exkrementen bedeckt war. Ein Stuhl stand darin, Scherben und anderer Krempel lagen verstreut herum. Die Frau selbst konnte ich nicht sehen, aber aus dem Raum führte eine offene Tür, durch die ich das untere Ende einer Treppe ausmachen konnte. Ich rannte zurück ins Haus und riss den Wandschrank auf. Während ich Farbeimer und Tapetenrollen zur Seite schleuderte, schrie ich: »Wir kommen! Wir kommen! Halten Sie durch!«
    Ich dachte, dass sich unter dem ganzen Krempel vielleicht eine Öffnung befände. Hamish und Francesco kamen aus dem Wohnzimmer, um nachzusehen, was los sei, und danach kamen die anderen die Treppe herab und gesellten sich zu ihnen.
    Ich hielt inne, als die Rückseite des Wandschranks sichtbar wurde. Scheiße, warum hatten wir die nicht früher gefunden? Es war eine ganz normale, weiß getünchte Tür, laienhaft mit leicht beweglichem Plunder kaschiert.
    Hamish trat gegen die abgeschlossene Tür, aber er war zu schwach, und die Tür gab keinen Millimeter nach.
    »Pete, mach du das«, schrie ich. »Schnell!«
    Pete betrat den Wandschrank mit nichts als seiner Boxershorts bekleidet. Er holte tief Luft und trat gegen die Tür. Sie gab schon beim ersten Versuch nach. Die Scharniere platzten aus dem Rahmen, sie fiel nach hinten und polterte eine Treppe hinab.
    Ich ging als Erste hinunter. Die Holzstufen waren klebrig, und ein Geländer gab es nicht. Im ersten Moment bemerkte ich nicht, dass ich durch Blut ging und meine Schritte rote Spuren hinterließen. Ich gelangte zum Fuß der Treppe, trat über die herabgefallene Tür, und dann sah ich sie: ein kleines Häufchen Mensch auf dem Zementboden des stinkenden Flurs. Ihre Augen standen offen und starrten mich an, aber es war klar, dass ihre Kräfte sie bald verlassen würden, denn überall aus ihrem Körper sprudelte Blut.
    »Wer war das?«, fragte ich. »Wer hat Ihnen das angetan?«
    Sie konnte nicht antworten.
    Ich hielt sie in den Armen. Hinter mir hörte ich Hamish, Pete und Francesco, redend und würgend. So gut es mit bloßen Händen ging, versuchte ich ihre Wunden zu stillen. Ich schrie die anderen an, sich zusammenzureißen und sofort einen Krankenwagen zu rufen.
    »Wer war das?«, fragte ich noch einmal.
    »Große Augen«, murmelte sie ein paarmal, während ich ihr über das verklebte Haar strich. »Große Augen.«

30
    Celias Augen hatten sich vor Hoffnung geweitet, als sie hörte, dass die Tür am oberen Ende der Treppe eingetreten wurde. Endlich. Konnte es wirklich wahr sein? Hatte sie ihn besiegt?
    Aber ihre Augen hatten sich ein wenig geschlossen, als Schritte die Treppe herunterpolterten. Mehrere Menschen beugten sich über sie. Sie hörte jemanden nach Luft ringen und schreien, und sie konnte einen Moment lang die Gesichter sehen: drei Männer und eine junge Frau. Sie verschmolzen zu einem Einzelbild, das so unwirklich war wie die Welt, die sie seit etwa einem Monat bewohnte. Gesichter und Kleidungsstücke und Hautpartien, alles verschwommen und unvertraut. Während sie zu ihnen hochsah, versuchte sie zu sprechen oder zumindest mit dem Finger zu zeigen, aber sie dämmerte weg, lag wahrscheinlich sogar im Sterben. Und wäre das nicht eine

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