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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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ich wieder auf ihm und das Gekreische fing von vorne an.
    Es war gut.
    Es war sehr gut.
    Ich war verliebt.
    Ich wollte mit dem Mann, den ich liebte, im Wohnzimmer tanzen.
    Wir nahmen den Plattenspieler mit und spielten die ganze Zeit Beatles-Songs. Ich sang »Help!« mit einem Eiquirl als Mikrofon und tanzte dabei auf Sofas und Tischen und Matratzen herum. Ich pries den Herrn, küsste den Pete und fragte ihn, ob wir es noch einmal machen könnten.
    »Mensch, Bronwyn, wir haben es doch schon fünf Mal gemacht! Er wird mir noch abfallen.«
    Ich fühlte mich zurückgewiesen. Ich setzte mich hin und meine Unterlippe verzog sich zu einem Flunsch. Mir fiel auf, dass die Platte nicht so gehüpft war wie beim letzten Mal, als ich sie in meinem Zimmer aufgelegt hatte.
    »Das Lied ist nicht gehüpft.«
    »Was?«
    »Warte mal«, sagte ich.
    Ich trug den Plattenspieler zurück an seinen Stammplatz unter meinem Schlafzimmerfenster und stöpselte den Stecker ein. Dann legte ich die Platte auf und spielte ein weiteres Mal »Help«.
    Der Song lief ohne Unterbrechungen durch. Ich seufzte und fragte mich, was mir da wieder durch den Kopf gegangen war.
    Etwas an der Art, wie ich mich über den Plattenspieler beugte, ließ Pete glauben, dass er es ein sechstes Mal schaffen könne. Ich setzte die Nadel noch mal am Anfang des Stücks auf und wir küssten einander auf der Matratze.
    »Pst!«
    »Was?«, fragte Pete.
    »Pst! Hör mal …«
    Ich stand auf und setzte die Nadel zurück. Das Lied lief ohne Unterbrechungen bis zu derselben Textzeile, aber diesmal sprang es nicht, diesmal hielt es an, und zwar an genau derselben Stelle: pleeeeeeeeeeeeeeeeeease heeeeeeeelp meeeeeeeeeeeeeeeee.
    Klonk.
    Nicht genug damit, dass die Wörter sich auf wirklich unheimliche Weise verlangsamt hatten und nach einem »Klonk« völlige Stille eingetreten war. Auch das Licht war im selben Moment ausgegangen, und als ich aufstand und es wieder einschalten wollte, merkte ich, dass sämtliche Lichter ausgegangen waren. Die gesamte Elektrizität hatte sich verabschiedet.
    »Siehst du das?«
    Für einen Augenblick war alles still. Dann hörte ich, wie Hamish und Francesco aus dem polnischen Club zurückkehrten und direkt auf die Wassereimerpfeife im Wohnzimmer zusteuerten. Ich kniete mich auf den Boden, legte das Gesicht auf die nackten Bodendielen und lauschte.
    »Was tust du da?«, fragte Pete in post- bzw. präkoitaler Matratzenstellung.
    »Komm her!«
    Pete legte sich neben mich und lauschte den Geräuschen, die ohne jeden Zweifel aus dem Keller drangen. Wir schauten uns gegenseitig an und pressten die Ohren gegen den Boden. Es war eine Frauenstimme, und sie schrie …
    »HILFE!«
    »HILFE!«
    »BITTE HELFEN SIE MIR!«

28
    Sobald sich die Tür zu dem verschlossenen Raum geöffnet hatte, begann Celia zu würgen. Um loszuwerden, was ihr Magen erstaunlicherweise immer noch zutage fördern konnte, griff sie hastig nach der Scherbe, mit der sie ihre Handfesseln durchtrennt hatte, und stach damit hemmungslos auf ihr Gesicht ein.
    Nach drei großen Schnitten riss das Polyester entzwei. Sie schälte sich den Knebel vom Gesicht und spuckte die hochschießende Gallenflüssigkeit aus. Sie hustete. Hätte sie sich selbst sehen können, dann hätte der Schock sie vermutlich sofort dahingerafft: Sie hatte einen trichterförmigen Mund, so starr nach hinten verzerrt, dass er sich weigerte, seine ursprüngliche Form anzunehmen. Ihre rechte Wange war mit Brandblasen übersät, und sie hatte sich das Gesicht vom Ohr bis zum Kinn zerschnitten.
    Um sich nicht noch einmal übergeben zu müssen, knallte sie die Tür zu dem zweiten Raum zu. Ihr Körper, angestachelt durch die Stimmen ihrer Kinder und das, was sie in dem verschlossenen Raum gesehen hatte, war wieder zu Kräften gekommen.
    Sie stach in Richtung ihrer Beine, und es gelang ihr, auch diese zu befreien. Gehen konnte sie nicht, dazu war sie viel zu schwach, und obendrein hatten ihre Muskeln es verlernt. Also kroch sie mühsam zu dem Wasserrohr und trank. Das Blut schoss die ganze Zeit aus ihren Wunden. Sie hörte Musik aus einem anderen Zimmer des Hauses, schleppte sich die Treppe hoch und hämmerte gegen die Tür. Sie schrie, aber die Musik war zu laut. Einen Moment setzte sie sich auf die oberste Treppenstufe und verlor kurz das Bewusstsein. Als sie wieder zu sich kam, lag sie am Fuß der Treppe, und die Musik hatte ihren Ausgangspunkt verändert: Sie drang jetzt aus dem Zimmer der Frau.
    Celia kroch auf allen vieren in

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