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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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Vater kaum bekannt … Mutter alkoholkrank … Von Waisenhaus zu Waisenhaus geschickt …‹ Für einen teilnahmsvollen Leser ist das eine anrührende Geschichte … Aber leider bin ich kein teilnahmsvoller Leser.«
    Der Richter hatte den Kopf gehoben und Pete durchdringend angeschaut. »Ich fand es schon immer seltsam, dass Leute wie Sie vor zweihundert Jahren in dieses Land verbannt wurden. Da verstößt einer gegen das Gesetz, und zur Strafe wird er ins Paradies geschickt. Diesmal machen wir es andersherum: Ich schicke Sie zurück.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Pete.
    »Ihr Vater ist Engländer.«
    »Er ist ausgewandert, als ich ein Kind war.«
    »Richtig. Um später nach Cambridge zurückzukehren … Haben Sie jemals einen Reisepass beantragt? Waren Sie jemals bei einer Feierlichkeit, wo die Nationalhymne gesungen wird und alle zu Tränen gerührt sind?«
    »Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht«, hatte Pete erwidert.
    »Und wie bedauerlich das für uns alle war.« Der Richter hatte gelächelt. »An Ihrer Stelle würde ich mir schon mal einen Regenmantel kaufen.«
    Als sie Pete in seine Zelle zerrten, weinte er wie ein Baby.
    ***
    Von den Handschellen abgesehen, verlief seine Reise fast wie Bronnys – bis hin zu den kostenlosen Drinks, die ihm die Stewardess zu seiner Überraschung brachte, nachdem seine Polizeieskorte eingeschlafen war. Selbst seine Ankunft ähnelte der von Bronny. Niemand holte ihn ab, nicht einmal ein Bewährungshelfer. Irgendwann saß er in einem kleinen Raum am Flughafen Heathrow, und bei ihm saßen: a) ein freundlicher schottischer Zollbeamter, der unübersehbar ein Fan des Glasgower Celtic-Teams war, und b) ein weniger freundlicher Beamter der Grenzkontrolle.
    »Kommen Sie bloß nicht auf die Idee, zurückzufliegen«, sagte der Grenzbeamte, als er Petes Handschellen öffnete.
    Pete verließ die Ankunftshalle und blieb draußen im Regen stehen. Lange Zeit stand er da, starrte auf den grauen Parkplatz und in den grauen Himmel und wurde sehr, sehr nass.
    ***
    Das war vor sechs Monaten gewesen. Seitdem hatte Pete einige Hebel in Bewegung gesetzt. Findig wie er war, hatte er fast auf Anhieb die Unterwelt von Bayswater aufgespürt und sich alle Papiere besorgt, die zu seiner Rückkehr nötig waren. Alles andere interessierte ihn nicht.
    Sein erster Versuch war nicht besonders originell: Mit dem Verkauf von Einzelteilen aus dreiundsechzig gestohlenen Autos hatte er einen gefälschten australischen Reisepass und ein Qantas-Ticket finanziert.
    Nach diesem Meisterstück hatte er einen Bewährungshelfer.
    Beim zweiten Anlauf war er einfallsreicher gewesen. Gefälschter Aussie-Pass, Kurzzeitjobs auf verschiedenen Kreuzfahrtschiffen, dann drei Monate im Gefängnis Belmarsh für weitere Straftaten und Verstöße gegen die Bewährungsauflagen.
    Nach seiner Freilassung setzte er sich mit dem freundlichen schottischen Zollbeamten in Verbindung (der mit dem Faible für die Celtics, den er bei seiner Ankunft kennengelernt hatte).
    »Geben Sie sich als Fracht auf«, riet ihm der Beamte. »Ich kümmere mich um alles.«
    »In einem Koffer?«
    »Sarg. Großer Sarg. Ich bohre Luftlöcher rein und wickle die Leiche ein. Bunkern Sie ein paar Vorräte in dem Sarg, und in einundzwanzig Stunden sind Sie da.«
    Pete hatte weder die zwei Riesen noch die Nerven, die für diesen Deal nötig waren, und so beschloss er, eine Pause einzulegen. Er besorgte sich ein paar Empfehlungsschreiben und bewarb sich erfolgreich auf eine Stelle, bei der er das einzige Können einsetzen konnte, über das er verfügte: Körperkraft. Und dann dachte er lange und intensiv über weitere Möglichkeiten seiner Heimkehr nach.
    ***
    Komisch, dachte Pete, nachdem Bronny ihn mit den traurigen Augen einer Hintergangenen angeschaut hatte und aus dem Raum gelaufen war – plötzlich schien es völlig unwichtig zu sein, ob er wieder nach Hause zurückkehren konnte.
    Etwas später hörte Pete vor seiner Zelle die Stimmen mehrerer Polizisten. Er stand auf und drückte sein Ohr fest gegen die Metalltür. Sie sagten, dass sie sich Sorgen machten. Dass es nicht ganz reiche, um ihn festzuhalten. Wenn die Frau aufwache, dann schon, meinte einer der Ermittler, aber im Moment sehe es so aus, als ob sie ihn freilassen müssten. Die Zeit laufe ihnen davon.
    Pete richtete sich auf.
    Sie würden ihn vielleicht freilassen müssen.

Teil vier

35
    »Bronwyn?«
    Ich wollte gerade die Polizeiwache verlassen, da rief Vera Oh mich zurück: »Ihre

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