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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Fitzgerald
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Freundinnen haben eine Nachricht hinterlassen.«
    »Danke«, sagte ich und verließ lesend das Gebäude.
    Bronny,
    wir gehen ins Royal , um zu beratschlagen, und dann wollen wir uns eine andere Bleibe suchen. Wir warten auf Dich.
    Fliss und Cheryl-Anne
    Fliss und Cheryl-Anne. Das Royal. Hatte ich die Nerven, dorthin zurückzugehen? Und würde ich sie andernfalls vermissen? Das fragte ich mich, während ich auf einer Londoner Straße in einen Londoner Vorort ging, in dem es von Londoner Vorortbewohnern nur so wimmelte. Würde ich Cheryl-Annes über die Maßen geglättetes Haar vermissen? Fliss’ oberflächliche Weltsicht und ihre regelmäßigen Sexunterweisungen? Zachs Interpretationen von Lenny-Kravitz-Songs? Hamishs wohlüberlegte Ratschläge? Francescos Liebe zum Essen? Konnte ich jetzt einfach zu ihnen gehen, oder würde ich sie erst in einem Gerichtssaal wiedersehen?
    Und Pete? Meine erste Reaktion auf ihn war die richtige gewesen. Ich hätte auf mein Bauchgefühl hören sollen. Pete war immer dagewesen, wenn ich Geräusche gehört hatte, war immer aus irgendeinem Versteck hervorgesprungen, um mich zu Tode zu erschrecken. Er war über und über tätowiert, und seine Gelassenheit war gespenstisch. Seine Vergangenheit war ein unerforschliches Mysterium, und in seinem Zimmer lagen alle möglichen Werkzeuge herum. Die Polizisten hatten angedeutet, dass er ein ellenlanges Vorstrafenregister habe. Wie hatte ich nur so dumm sein können? Zu denken, er sei nett und sanftmütig und meine große Liebe, während er in Wahrheit … Verdammt, ich hatte meine Unschuld an einen Serienmörder verloren.
    Ich dachte an meine Zeit in dem besetzten Haus. Celia war die ganze Zeit dort gewesen, hatte geschrien und gelärmt, um auf sich aufmerksam zu machen, und ich hatte nichts gerafft. Wenn sie stürbe, wäre ich an ihrem Tod schuld. Wenn ich daran dachte, was sie durchgemacht hatte, was die anderen Frauen durchgemacht haben mussten … Warum hatte ich mich nicht genauer in dem Wandschrank umgesehen? Warum hatte ich mir die Finger in die Ohren gesteckt und laut gesungen, statt richtig hinzuhören? Warum hatte mir der Schuh mit dem Blutfleck nicht zu denken gegeben, die hüpfende Schallplatte, der Rauch, das Miauen und das anschließende Verschwinden der Katze? Ach, hätte ich nur …
    Nachdem ich längere Zeit ziellos umhergestreift war, merkte ich überrascht, dass ich wieder vor dem besetzten Haus stand. Das Gebäude war mit Plastikbändern abgesperrt, und auf der Straße wimmelte es von Polizeiautos. Einige Schaulustige waren stehen geblieben und beobachteten das Treiben. Im benachbarten Royal konnte ich zwei weibliche Rucksackreisende erkennen, die kichernd an der Rezeption standen und Francesco das Geld für zwei Zimmer im Voraus bezahlten. Ich sah, wie er sie prüfend musterte. Ich sah Hamish an einem Computer im Internetcafé neben der Rezeption. Ich schaute durch das Kellerfenster des Hostels: Zehn fremde Reisende saßen dort, tranken und schauten MTV.
    Eine neue Welle war an Land geschlagen und hatte den Sand geglättet.
    Ich hatte fast schon beschlossen, hineinzugehen und mich mit Fliss und Cheryl-Anne über eine sichere Bleibe zu beraten.
    »Dein Reisepass war da drinnen.« Ich zuckte zusammen. Zu Tode erschrocken drehte ich mich um und sah Zach.
    »Und deine Umhängetasche hing an der Wand. Hast du sie gesehen?«
    Es dauerte einen Augenblick, ehe ich begriff, was das hieß: Mein Pass, der mir am Tag meiner Ankunft im Hostel geklaut worden war, hatte in jenem schrecklichen Raum neben den Pässen und Fahrscheinen toter Frauen an der Wand gehangen.
    »Ich wäre die Nächste gewesen«, dachte ich laut.

36
    Im Krankenhaus saß Greg am Bett seiner Frau. Große Teile ihres Gesichts waren bandagiert, und ein Tropf mit zwei Kanülen endete in ihrem Arm. Durch die eine Kanüle floss eine Blutkonserve, durch die andere eine Kochsalzinfusion. Celia lag immer noch im Koma.
    »Und zum Schluss hat er geschrieben: ›Es tut mir leid, dass ich so wütend war, ich vermisse dich. Alles Liebe, Dein Sam.‹ … Richtige Orthographie und alles. Ich hab’s auf das Kaminsims im Wohnzimmer gelegt. Ich war sehr ordentlich, genau wie du es magst …«
    Er wusste, dass er dummes Zeug redete, aber er hatte den ganzen Tag mit einem bandagierten Gesicht geredet, und es war schwierig, sich mit einer leblosen Frau zu unterhalten. Vor allem, wenn einem gesagt wird, dass man sich auf das Schlimmste gefasst machen solle, und wenn man wütend auf sich

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