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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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Hauses.
    Sie schlich die Dienstbotentreppe hinunter, an den Silberkammern vorbei durch die alte Waschküche in den Küchengarten. Dort zog sie sich die Kapuze über ihr blassgoldenes Haar.
    Die Nachtluft war frisch und warm. Sie roch die Kräuter. Die Musik wehte über die dunklen Rasenflächen nördlich von Lazen Castle zu ihr. Das Gartentor quietschte beim Öffnen.
    Sie ging durch das Gras, und da ihre Satinschuhe so dünn waren, spürte sie jede noch so kleine Erhebung unter den Fußsohlen. Zu ihrer Rechten lag der Obstgarten, ein einziges verschwommenes Blütenmeer.
    Sie umrundete die Anhöhe, auf der einst, als Lazen eine richtige Burg war, der Bergfried gestanden hatte. An seinem Fuß befanden sich die schlosseigenen Bienenstöcke, dort hielt sie sich dicht an den dunklen kleinen Hügel.
    Am Rand der Anhöhe blieb sie stehen und warf einen Blick auf die strahlenden Lichter in den Nordfenstern des Schlosses. In den Gärten gingen Paare spazieren, deren Lachen leise über die Wiesen wehte.
    Sie ging weiter. Diese Heimlichtuerei, dieses Stelldichein an einem solchen Abend, hatte etwas Belebendes, etwas aufregend Vergnügliches. Am liebsten hätte sie laut gelacht und die Satinschuhe von den Füßen geschleudert und wäre barfuß durchs Gras gelaufen. Wie viele Bräute verließen ihren Verlobungsball, um sich mit einem anderen Mann zu treffen? Der Gedanke brachte sie zum Lachen.
    Zu ihrer Rechten lag Scone Hill, ein Dickicht aus Sträuchern und Dunkelheit, und vor ihr die Ruinen des alten Torhauses. Einst war Lazen Castle nach Norden ausgerichtet gewesen. Jetzt, wo es keine Wehranlage mehr war, sondern eines der großen Herrenhäuser Englands, hatte es seine Fassade dem wärmeren Süden zugewandt.
    Sie konnte die fröhlichen Paare sehen, die unter den Papierlaternen im Wassergarten spazieren gingen. Diesen Weg konnte sie nicht einschlagen. Sie musste im Dunkeln bleiben, was zu ihren Schuldgefühlen passte. Also wandte sie sich nach rechts, überquerte die nördliche Zufahrtsstraße und trat in das hohe, verfilzte Gras dahinter.
    Innerlich perlte Lachen in ihr auf. Die praktische, vernünftige Campion tat, wessen niemand sie für fähig hielt. Sie konnte es selbst kaum glauben.
    Um über die Querstangen des Zauns zu steigen, der die Wiesen vom Park trennte, musste sie das bunte Seidenkleid über die Knie ziehen. Sie stieg vorsichtig hinauf, denn sie wollte sich ihre Satinstrümpfe nicht zerreißen, und erst als sie sicher war, nirgends hängen geblieben zu sein, sprang sie auf die andere Seite.
    Jetzt ging sie langsamer. Der Park war Weideland; Mulden und Höcker wurden vom Mond und von dem hellen Licht, das vom Schloss herüberschien, nur spärlich beleuchtet. Sie raffte die Röcke ihres Kleides und ihren Umhang über dem hohen Gras und erwartete ungeduldig das Auftauchen des kleinen Tempels auf dem kleinen Hügel.
    Zu ihrer Linken hörte sie gedämpftes Lachen und Stimmen, einen Mann und eine Frau, dann ein langes Stöhnen, darauf ein Lachen, und da wusste sie plötzlich, dass ein Paar sich am Fuß des Grabens, der die Gärten von der Weide trennte, einen ruhigen Platz gesucht hatte. Der Graben besaß eine steile Böschung, die das Rotwild nicht erklimmen konnte, sodass der Blick vom Schloss über die Gärten in die Landschaft nicht von einem Zaun gehindert wurde und die Gärten trotzdem nicht vom Wild heimgesucht wurden. Campion, die den Lauten lauschte, hatte das Gefühl, sie sei Teil des Glücks der verbotenen Liebe, die in dieser Nacht von Lazen ausging. Aufregung und Angst durchfuhren sie, als sie weiterging. Sie war dumm, das wusste sie, und was sie da tat, war eine wunderbare, wahnsinnige Dummheit.
    Sie rechtfertigte ihre Dummheit damit, dass sie nur wegen Tobys Geschenk gekommen wäre, und sie versuchte sich davon zu überzeugen, dass sie nichts tat, was Onkel Achilles’ Sorge um ihre Würde verletzte. Sie würde das Geschenk entgegennehmen, ihm freundlich danken und wieder gehen.
    Hell schien der Mond auf den Fußweg, den sie jetzt einschlug, und dort stand, blass vor den Buchen, der elegante Tempel. Ihr Großvater hatte ihn erbaut, eine kleine, mit Säulen versehene Spielerei, die auf einem gestuften Sockel stand und von einem weißen Kuppeldach gekrönt wurde. Als Kind war sie manchmal mit Toby zusammen die Stufen hinaufgestiegen und hatte im Tempel Fangen gespielt. Ihr Vater hatte davon gesprochen, ihn abzureißen, doch er stand noch da, verlassen und etwas seltsam, der Rückzugsort, an dem der vierte

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