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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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wünsche, ihn kennenzulernen. Gehen Sie.»
    Madame la Retiffe stellte ihre Schale mit feuchten Pflaumenkernen ab, trat von dem niedrigen Podium hinunter und machte sich gehorsam auf den Weg quer durch den Saal.
    Der Zigeuner schaute an der Frau, die auf ihn zutrat, vorbei zu Campion. In diesem Augenblick schien es, als wären nur sie beide in dem überfüllten Raum, als würden diese seltsam blassblauen Augen tief in ihre Seele blicken. Ein Lächeln spielte um seinen Mund, und er schenkte ihr eine angedeutete Verbeugung.
    «Er hat mich gesehen!», sagte die Duchesse.
    William Carline, der Verwalter von Lazen, der würdevoll zwischen den Gästen umherging, um dafür zu sorgen, dass die Dienerschaft ihre Pflicht erfüllte, sah den Zigeuner und erkannte ihn. Mit zweifelndem Blick schaute er zu Campion hinüber, wies mit einer Kopfbewegung auf den Mann, den Stein des Anstoßes, und zog fragend die Augenbrauen hoch: Wünschte Campion, dass der Mann aus dem Saal entfernt wurde? Fast unmerklich schüttelte sie den Kopf. Carline, dessen Schicklichkeitsgefühl verletzt war, stolzierte in den Flur.
    Onkel Achilles, der beim Tanz eine Pause machte, sah Campions winziges Kopfschütteln. Er seufzte und lächelte das zehnjährige Mädchen an, mit dem er ritterlich tanzte. «Weißt du, was es gibt, wenn man eine schwarze Katze in den Taubenschlag sperrt?»
    «Nein, Sir.»
    «Blut und Federn und einen Haufen Ärger!» Er lachte. «Ich mag solche unsinnigen Späße, mein Liebes, ich mag solchen Unsinn sehr!»
    Madame la Retiffe führte ihre Eroberung über das Tanzparkett. Die Frauen wandten die Köpfe. Einige Dienstboten sahen staunend zu.
    Der Zigeuner blieb vor der Duchesse stehen und verbeugte sich so elegant vor ihr, dass es selbst Ludwig   XIV. gefallen hätte. Die alte Frau lächelte gekünstelt und tippte mit ihrem zusammengeschobenen schwarzen Fächer auf Madame la Retiffes Sessel. «Sie dürfen neben mir Platz nehmen, Monsieur.» Sie schaute Madame la Retiffe an. «Stellen Sie mich endlich vor!»
    Es schien, als habe Madame la Retiffe den Namen des faszinierenden, großen Mannes, der durch seine Anwesenheit für solchen Aufruhr sorgte, nicht in Erfahrung gebracht.
    Die Duchesse sah ihn an. «Nun, wer sind Sie?»
    Er schaute Campion an, und als sich ihre Blicke begegneten, hielt sie die Luft an. Er lächelte, was sein Gesicht vollkommen verwandelte. «Lady Campion weiß, wer ich bin.»
    Finster blickte die alte Dame Campion an. «Du hast doch gesagt, du weißt es nicht!»
    «Ich kenne seinen Namen nicht, grandmère .» Das war nicht ganz die Wahrheit. Sie kannte ihn als Gitan, doch das schien ihr mehr ein Spitzname zu sein denn ein Name. Sie lächelte, sie genoss den Augenblick. «Ich weiß nur, dass er der Stallbursche meines Bruders ist, grandmère .»
    Sie konnte einfach nicht widerstehen. Nicht um den Zigeuner zu demütigen, sondern um das entsetzte Gesicht ihrer Großmutter zu sehen, als ihr aufging, dass sie einen Bediensteten aufgefordert hatte, neben ihr Platz zu nehmen. Campion stand auf, ignorierte den schockiert offen stehenden Mund ihrer Großmutter und trat von dem kleinen Podium hinunter. Sie setzte ein kaltes Gesicht auf und befleißigte sich eines steifen Betragens. Der Mann hatte durchaus eine Demütigung verdient dafür, dass er sich unter die feine Gesellschaft gemischt hatte. «Was machen Sie hier?»
    «Ich komme von Ihrem Bruder.» Seine Stimme war entspannt und selbstsicher.
    «Mit einer Nachricht?» Sie sprach zu ihm in einem Tonfall aristokratischer Autorität, doch sein Gesicht, so voller Leben und Versprechungen, rührte sie tief in ihrem Innern.
    Er lächelte. «Nein.» Fast unbemerkt hatte er sich ein Stück abgewandt und zwang Campion so, noch einen Schritt von ihrer Großmutter wegzutreten, sodass es vom Saal aus so aussah, als sei der schwarzhaarige Fremde tief in eine vertrauliche Unterredung mit der blonden Braut vertieft. «Ich bringe Ihnen sein Hochzeitsgeschenk.»
    Es war unerträglich, doch es war ihm gelungen anzudeuten, sein Kommen mit dem Geschenk sei der wichtigste Teil des Abends. Erneut lächelte er, und sie spürte, wie ihre Schutzwälle brachen. Seine Anmaßung, sein Charme und das Selbstvertrauen in seinem schmalen, dunklen Gesicht brachten sie aus der Fassung. Sie richtete sich auf. «Der Verwalter kann es entgegennehmen.»
    «Das bezweifle ich!» Er klang amüsiert. «Ich dachte, ich könnte es Ihnen am Tempel im Park überreichen.»
    «Meine Liebe?» Die Stimme, kalt und

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