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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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einzureden versucht, Lord Culloden sei ein starker Mann, doch jetzt, da sie auf der niedrigen Mauer saß, wusste sie, dass Christopher Skavadale einen Maßstab setzte, gegen den jeder andere Mann ein Schwächling war. Dieser Mann war so stark, dass er wusste, wann er sanft sein musste. Seine Stärke war fast beängstigend.
    Er lächelte, als wüsste er, dass sie seine Frage nicht beantworten würde, und prostete ihr mit seinem Glas zu. «Auf das schnellste Pferd der Welt, Mylady. Möge es laufen wie der Nordwind.»
    Mit zitternder Hand hob sie ihr Glas. «Möge es noch schneller sein.»
    Sie trank einen Schluck Wein. Er trat von ihr weg. Neben der nächsten Säule blieb er stehen und sah sie an.
    Sie wusste, was geschah. Sie sprachen über die Liebe, und es schien ihr, als gingen sie am Rand eines dunklen, verbotenen Ortes entlang, an dem sie den Zauber finden würde, den sie suchte, wenn sie es nur wagte, ihn mutig zu betreten. Doch sie wagte es nicht. Zitternd stand sie am Rand, trat näher, fürchtete sich, zog sich zurück. An diesem geheimnisvollen Ort war die Seele nackt. Sie kannte die Antwort auf seine Frage. Sie wusste, was Liebe war, wenn sie in dieser plötzlichen, dunklen Nacht aus dem Nichts kam, doch sie konnte ihm nicht antworten. Stattdessen starrte sie auf den Globus. Im Mondlicht fuhr sie die Worte nach, die an seinem Fuß eingemeißelt waren. «Terra Incognita.»
    «Wir Roma haben etwas, was wir dukkeripen nennen.»
    Seine Worte schreckten sie auf. Dankbar, dass er das Schweigen gebrochen hatte, schaute sie zu ihm hin. «Was ist das?»
    «Die Zukunft voraussagen.» Er lächelte sie an. «Die meiste Zeit ist es Unsinn, genau wie der Glaube, wir könnten das Feuer kontrollieren, aber es ist nützlicher Unsinn. Wir sagen den Leuten einfach, was sie hören wollen. Seltsam, wie oft die Menschen, wenn jemand ihnen sagt, dass etwas eintreffen wird, dafür sorgen, dass genau das geschieht. Sie müssen es nur einmal gesagt bekommen. Soll ich Ihnen dukker ?»
    «Mir das Schicksal voraussagen?»
    «Soll ich?»
    Sie zuckte die Achseln, als spielte es keine Rolle, ob er es tat oder nicht. «Wenn Sie möchten.»
    «Sie müssen mir eine Hand geben.»
    «Sie wollen mir aus der Hand lesen?» Es klang enttäuscht.
    «Nein. Strecken Sie die Hand aus, strecken Sie sie nur aus. Sie müssen den Handschuh ausziehen und die Augen schließen.»
    Sie zog den rechten Handschuh aus, legte ihn neben ihr Weinglas und schloss die Augen. Es kam ihr vor wie ein Kinderspiel. Sie lächelte nervös.
    Dann streckte sie die Hand aus. Sie wusste, dass er sie berühren würde. Sie wollte, dass er sie berührte. Das Wahrsagen war ihr Vorwand, mehr nicht, ein Mittel, um sich davon zu überzeugen, dass sie nicht mit diesem dunklen, verbotenen Ort liebäugelte.
    Sie hörte sein Glas klirren, als er es an die Wand stellte. Die Scheide seines Degens kratzte über den Stein, und seine Stiefel raschelten im Laub. Sie wartete.
    Seine Hände schlossen sich trocken und warm um ihre Hand.
    Sie zitterte, zitterte mit jeder Faser. Mit einer Berührung hatte er alle Fragen beantwortet. Wenn Lord Culloden sie berührte, war da nichts, doch Skavadales Berührung sprach von Geheimnissen und Wundern, und sie musste den verrückten Impuls unterdrücken, die Finger um seine Hand zu schließen und ihn an sich zu ziehen.
    Sanft streichelte er ihre Hand. Sie spürte seine Finger über ihr Handgelenk flattern und dann ihre Handfläche ertasten, Magie ihre Finger berühren. Sie wollte, dass er sie küsste. Sie wollte lautes Triumphgeschrei über die ganze dunkle Welt ausstoßen, denn sie hatte recht gehabt. Die Welt hatte ihr erklärt, die Liebe berge kein Geheimnis, sie müsse sich mit der Alltäglichkeit zufriedengeben. Und jetzt das.
    Seine Hände schienen sich schneller zu bewegen, berührten, kitzelten und drückten dann plötzlich ihre Hand. Wenn diese Berührung doch nie endete! Mit dem Daumen liebkoste sie seine Hand, und dann löste er seinen Griff.
    «Sie können die Augen öffnen.»
    Sie schlug sie auf. Fast war sie ein wenig verwundert, dass die Welt unverändert war. Er ging um den Halbglobus herum, während sie auf ihre Hand hinunterschaute und wünschte, er würde sie noch halten.
    Dann betrachtete sie seine große, in einen Mantel gehüllte Gestalt. «Und?»
    Er schaute zum Schloss hinüber.
    «Mr.   Skavadale?»
    Er wandte sich ihr wieder zu. «Ich kann die Zukunft nicht vollständig voraussagen. Diese Fähigkeit besitze ich nicht.»
    «Doch was

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