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Die dunklen Engel (German Edition)

Die dunklen Engel (German Edition)

Titel: Die dunklen Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susannah Kells
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auf ein Pulverfass übergegriffen hatte. Wie auch immer, der Schuss hatte die Explosion ausgelöst, und die Explosion hatte den Verteidigern des Dorfes den Schneid abgekauft. Sie liefen davon.
    Tours war unglaublich zornig. Wieder würde Le Revenant entkommen, und der letzte Soldat, der Le Revenant hatte entkommen lassen, war in Nantes die Holztreppe zur Guillotine hinaufgestiegen. «Vorwärts, ihr Hunde, vorwärts!»
    Die Truppen, die vor Anstrengung keuchten, stürmten in loser Formation in die einzige Straße des Dorfes.
    Sie machten keine Gefangenen, denn es war niemand mehr da. Die Rebellen waren geflohen.
    Es gab kaum etwas zu plündern, nur ein wenig grobkörniges Brot, ein bisschen Käse, eine Ziege, einige von Wespen angenagte Äpfel und zwei Dutzend Hühner.
    Das Haus, das explodiert war, brannte lichterloh, in einem Funkenregen stürzten die Sparren zu Boden. Die Hitze war ungeheuer, sodass sich die Männer gut dreißig Meter von den brüllenden Flammen entfernt hielten. Zumindest ein Mann war bei der Explosion gestorben, denn seine Leiche lag nahe der Hintertür des Hauses, mit dem Kopf fast unter den heruntergestürzten weißglühenden Dachbalken.
    Colonel Tours interessierte sich nicht für den Toten. Er verfluchte seine Leute, verfluchte ihr Versagen und dachte scharf über eine zungenfertige Ausrede nach, die Bürger Marchenoir in Paris davon überzeugte, dass sie nur hatten scheitern können.
    Seinen Männern war Bürger Marchenoir gleichgültig. Nicht gleichgültig waren ihnen die guten Stiefel, die sie an der Leiche entdeckten. Gute Stiefel waren im Land der Freiheit eine Seltenheit.
    In einer Scheune fanden sie einen Haken, in einem Stall einen Strick, und sie warfen den angeseilten Haken nach der Leiche aus, um sie unter dem Feuer hervorzuziehen, bevor dieses die guten Stiefel mitverzehrte.
    Gut ein Dutzend Mal mussten sie den Haken werfen, bevor er sich in den Kleidern des Toten verfing. Dann zogen sie die Leiche unter den sengenden Flammen heraus, und begierige Hände griffen nach den Reitstiefeln aus feinem Leder. Sie hatten sich darauf geeinigt, darum zu losen.
    Die obere Körperhälfte des Mannes war schrecklich verbrannt, Kopf und Schultern fast auf ihre halbe Größe geschrumpft und von den Flammen geschwärzt.
    Tours beobachtete sie. Er war versucht, ihnen zu befehlen, ihm die guten Stiefel auszuhändigen, doch was nützte einem Verdammten ein Paar Stiefel?
    «Colonel! Colonel!», rief ein Offizier. «Colonel!»
    «Was ist?»
    Der Capitaine brachte Tours einen Degen, der unter der halbverkohlten Leiche verborgen gewesen war.
    Das Heft war noch warm, die Wickelung aus Schlangenleder von der Hitze gebräunt. Tours zog daran.
    Es war eine hübsche, tödliche Waffe, deren Stahl im hellen Feuerschein schimmerte. Neidisch betrachteten die Offiziere den Colonel.
    Die Klinge war graviert. Tours hielt sie so, dass das Licht schräg darauffiel, und betrachtete die Gravur. Er sah ein Wappenschild, reich verziert, gehalten von einem Ritter in Rüstung, unter einer gekrönten Bestie. Darunter stand ein Motto, zwei Worte in englischer Sprache, «Dare All» – wage alles.
    Das Schild trug eine blutige Lanzenspitze, das Zeichen von Lazen, und langsam, ganz langsam, dämmerte es Colonel Tours, wer der Tote war.
    In einem französischen Dorf, geplündert und ausgebrannt, neben einem Haus, das zu feiner Asche verbrannte, blickte Colonel Tours auf die Leiche des sechsten Earl of Lazen.
    Auf seinem Grab würde keine Adelskrone liegen, seine Pferde würden keine dunklen Federn tragen, sein Sargtuch würde nicht aus Samt sein.
    Le Revenant war tot.

    Als am nächsten Abend die Zeit des Abendessens gekommen war, überraschte Campion die drei Männer damit, dass sie angab, keinen Hunger zu haben. Mit einer Flasche Wein und einem Glas verließ sie das Schloss. Mrs.   Hutchinson wollte ihr folgen, doch Campion bestand darauf, allein zu sein.
    Sie ging zum Tempel.
    Dort setzte sie sich auf die Mauer und blickte auf den eingeritzten Tierkreis.
    Lange hatte sie mit sich gerungen. Sie glaubte an den Zauber der Liebe und daran, dass die Sterne herunterfallen konnten, um die Welt zu versilbern, doch die Pflicht machte sich über ihren Glauben lustig.
    Ihre Pflicht war es zu heiraten. Liebe war nicht erforderlich, es war nur notwendig, die Anwälte glücklich zu machen, das Haus zu retten.
    Sie dachte an Skavadale, dachte daran, wie ihr Körper unter seiner Berührung erzittert war. Sie erinnerte sich an seine Umarmung

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