Die dunklen Engel (German Edition)
hätte, um Lazen zu beschützen. Dieses Versprechen lastete schwer auf ihr, so schwer wie Skavadales Versprechen, dass er zurückkehren würde.
Ihr wurde bewusst, wie sehr sie sich auf das Versprechen des Zigeuners verließ, sich darauf verließ, als wäre ihr Leben nicht ihr Eigen, sondern läge in den Händen eines gütigen Schicksals. Sie wartete darauf, dass der Zigeuner zurückkehrte, als könnte er sie von ihrem Versprechen erlösen.
Doch sie wusste, dass Christopher Skavadale diese Macht nicht hatte. Was zwischen ihr und dem Zigeuner war, was in jener mit Schuldgefühlen beladenen, sternenklaren Nacht geschehen war, war im Verborgenen geschehen, und sie konnte nur mit Schuldgefühlen daran denken. Die Wirklichkeit war das Schloss, die Abwesenheit ihres Bruders, ihr Versprechen gegenüber einem Sterbenden.
Beim Blick in Lord Cullodens Gesicht sah sie die Züge des mittleren Alters, das schwere Gesicht eines Mannes, der Herr über ein großes Vermögen sein würde. Sie konnte sich ihn gut im Sattel vorstellen, mit selbstsicherer Stimme, ein Mann mit wenigen, unanfechtbaren Ideen. Doch das war vermutlich genau das, was Lazen brauchte. Sicher war er kein schlechter Mann. Das Schlimmste, was sie über Lord Culloden sagen konnte, war, dass er einen Schnurrbart trug, dass sein Hüftumfang sichtlich zunahm und dass seine Berührung sie nicht vor Erregung zittern ließ. «Ich werde darüber nachdenken.»
«Um mehr bitte ich gar nicht.»
Sie fand, dass er durchaus um sehr viel mehr bat, doch sie lächelte, sagte, der Wind sei ihr etwas zu kühl, und ging ins Haus.
Das Abendessen an diesem Tag war eine unbehagliche Angelegenheit, bei der mehr geschwiegen denn geredet wurde, und Campion war froh, die drei Männer ihrem Portwein, ihren Walnüssen, ihren Zigarren und dem Nachttopf, der von seinem Platz in der Anrichte genommen worden war, überlassen zu können.
Sie ging in die lange Galerie, wo Onkel Achilles sie eine Stunde später fand.
Als er sich neben sie setzte, lächelte sie. Er legte die Stiefel auf den Fenstersitz, schüttelte den Kopf und ahmte die salbungsvolle Stimme von Cartmel Scrimgeour nach. «‹Was für ein ausgezeichneter Portwein, was für eine herrliche Erfrischung!›»
Sie lächelte.
Achilles d’Auxigny lachte. «Der Port war abscheulich. Ich habe bei eurem Kellermeister den schlechtesten bestellt, weil ich wusste, dass Scrimgeour den Unterschied eh nicht bemerken würde. Ich habe mich an den Brandy gehalten!» Er hob eine Karaffe in die Höhe, die er mitgebracht hatte. «Es macht dir doch nichts aus?»
«Selbstverständlich nicht.»
«Oder wenn ich eine Zigarre rauche?»
«Bitte.» Sie sah zu, als er sich an einer Kerze eine Zigarre anzündete. «Du bist hier, um mir die Leviten zu lesen, nicht wahr?»
Er nickte. «Wie es als Onkel, als Bischof und als Sünder meine feierliche Pflicht ist.»
Sie schwieg. Der Rauch seiner Zigarre trieb aus dem Fenster in die Nacht.
Achilles schenkte Brandy ein. «Armer Lord Culloden. Armer verwirrter Lord Culloden. Die Engländer sind so schlecht darin, verwirrt zu sein, wirklich sehr schlecht. Es bedeutet, dass Gott nicht das tut, was sie erwartet haben. Armer Lord Culloden.»
Sein übertriebener Tonfall brachte sie zum Lachen. «Arm?»
«Der dumme Mann, meine liebe Campion, hat sich darauf versteift, dass du ihn nicht heiraten willst.» Achilles lächelte sie an. «Er hat doch recht, nicht wahr?»
Er sah sie so verschmitzt an, dass sie lachen musste, ein seltenes Ereignis in den Wochen seit dem Tod ihres Vaters.
Er lächelte über ihr Lachen. «Und ich bin hier, liebe Nichte, um dir zu sagen, dass du ihn heiraten solltest.» Er sah sie mit reumütiger Miene an. «Dein Vater hat es gewollt, ich glaube, du brauchst es, und ich bin mir sicher, Lazen braucht es. Mr. Scrimgeour», hier sprach Onkel Achilles mit aufgeblasener Stimme, «besteht unbedingt darauf, dass du Culloden heiratest. Das einzig Vernünftige, was das Mädchen tun kann!» Achilles lächelte sie an. «Vergiss die Liebe. Sie ist ein Traum. Sie mag kommen, sie mag nicht kommen, es spielt keine Rolle. Liebe ist eine Schimäre, ein Traumgespinst für Unreife. Heirate ihn und sichere Lazens Zukunft, dann such dir einen schönen, heißblütigen Liebhaber, wenn du einen brauchst.» Er machte ein spitzbübisches Gesicht. «Du könntest es sogar mit dem Prinz der Zigeuner versuchen.»
Bestürzt sah sie ihn an.
Er lachte. «Mach dir keine Sorgen, meine liebe Nichte. Ich habe Lewis
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