Die dunklen Engel (German Edition)
zu den Toten zu gehören, die auf dem Laub ausgestreckt lagen. Die Leiche des ersten Mannes, dessen Pferd in Panik geraten war, wurde rumpelnd und holpernd durchs Unterholz geschleift.
Skavadale wandte sich wieder um.
Der Anblick seiner starken, unversöhnlichen Züge und seiner Augen, härter als Stein, verschlug Campion schier den Atem. Von der Spitze seines Degens, den er jetzt auf Lord Cullodens Gesicht senkte, tropfte Blut. Sie erwartete, der Zigeuner würde nun auch den Kavallerieoffizier töten, doch Skavadale lächelte. Die blutbefleckte Degenspitze war nur wenige Zentimeter von Cullodens Augen entfernt. «Erinnern Sie sich an mich, Mylord? Den Prince de Gitan?» Der Degen kam näher und zwang Culloden, einen Schritt nach hinten zu machen. Er unternahm nicht den Versuch, seinen Säbel zu erheben.
Der Zigeuner zwang ihn, noch einen Schritt zurück zu machen. «Lassen Sie Ihren Säbel fallen, Mylord. Dann steigen Sie auf.»
Culloden, in Angst und Schrecken versetzt von diesem Mann, der so rasch und so geschickt getötet hatte, gehorchte. Die Männer auf dem Hügel, rund hundert Meter weg, sahen zu, wagten es jedoch nicht, näher zu kommen.
«Mylady?»
«Mr. Skavadale?», sagte sie mit schwacher Stimme.
In seinem Lächeln lagen ein freudiges Willkommen und das Wissen um ein gemeinsames Geheimnis. «Ich muss Sie um Vergebung bitten, Mylady.»
«Um Vergebung?» Sie hatte ihren behelfsmäßigen Knüppel fallen gelassen.
Christopher Skavadale sah kurz zu Culloden, der gerade sein Pferd bestieg, und richtete den Blick wieder auf Campion. «Ich hätte gestern schon hier sein sollen, doch die Zauberkräfte der Roma können nicht die Winde auf dem Kanal beherrschen. Darf ich Sie einladen, mich zu begleiten?»
Sie kroch aus dem Dickicht hervor. Hirondelle wartete auf sie, und Campion setzte sich, da alle Schicklichkeit sowieso dahin war, rittlings in den Sattel. Ihre Beine waren nackt, denn ihr Kleid war zerrissen.
Culloden zitterte vor Angst.
Skavadale, der seinen blutigen Degen noch in der Hand hielt, warf einen letzten Blick auf die Männer auf dem Hügel, dann ließ er sein Pferd rückwärtsgehen, bis es hinter Lord Culloden war. «Geben Sie mir Ihre Hände, Mylord.»
Culloden runzelte die Stirn. «Ich habe meinen Säbel ausgeliefert!»
Skavadale lächelte. «Wenn Sie mir jetzt nicht sofort Ihre Hände geben, reiße ich Ihnen die Wirbelsäule aus dem Kreuz.»
Lord Culloden hatte keinen Kampfgeist mehr. Demütig legte er die Hände hinter den Rücken, und Campion sah, wie er zusammenzuckte, als der Zigeuner sie zusammenband. Die Männer oben auf dem Hügel feuerten einen einzelnen Pistolenschuss ab. Die Kugel ließ das Laub über ihren Köpfen erzittern und schreckte die Vögel noch einmal auf. Voll Verachtung blickte Skavadale zu den Männern hinüber, dann lächelte er Campion an. «Jetzt können wir gehen.»
Sie senkte den Blick, als sie davonritten. Der Mann, der zuletzt gestorben war, lag mit halbabgetrenntem Kopf da, genau wie der Mann auf der Straße nach Millett’s End. Beinahe würgte es sie. Schon krabbelten Fliegen über das blutige, aufgerissene Fleisch, und dann setzte sich Hirondelle in Trab, und sie ritt hinter dem Zigeuner aus dem Wald. Er war zurückgekommen. Im Gestank nach Blut und dem Klirren von Stahl war er zurückgekommen. Sie lachte laut. Er war zurückgekehrt.
Niemand verfolgte sie. Skavadale führte Cullodens Pferd am Zügel, Campion folgte ihnen, und sie ritten nach Westen, bis Lazen außer Sichtweite war. Dann wandte sich der Zigeuner nach Süden. Er lächelte sie an und sagte auf Französisch: «Ich hatte nicht erwartet, dass Sie in die Hügel laufen würden!»
«Erwartet?»
«Ich war im Haus!» Er warf einen Blick auf Lord Culloden. Der gezogene, blutverschmierte Degen hatte Seine Lordschaft gleichsam hypnotisiert. Skavadale blickte auf Campions nackte Oberschenkel und lächelte. «Es ist ein bisschen schade, Mylady, aber vielleicht sollten Sie das hier nehmen.» Er zog den Mantel hervor, der an seinem Sattel angebunden war, und warf ihn ihr zu. «In Periton House liegen saubere Kleider für Sie bereit.»
«Periton House?» Sie breitete den Mantel wie eine Decke über ihre Beine.
Er grinste. «Ich habe mir die Freiheit erlaubt, einige Ihrer Dienstboten nach Periton House zu schicken. Macht es Ihnen etwas aus?»
«Ob es mir etwas ausmacht?» Sie war wie benommen. In einem Augenblick war sie durch den Herbstwald gehetzt worden, im nächsten ritt sie mit dem
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