Die dunklen Engel (German Edition)
das?»
«Rom-Zauber.» Er ist schön, dachte sie, ein Mann von solch unvermuteter, erstaunlicher Pracht, dass ich ihn am liebsten festhalten und nie mehr loslassen würde. Er lächelte sie an. «Dann warten wir auf die Morgendämmerung, Mylady.»
Mehr verriet er nicht. Er schaute Edna an, deren Miene von Müdigkeit überschattet war, zündete eine Kerze für sie an und sagte ihr, sie solle ihre Herrin zu den Decken bringen, die in einem Schlafzimmer auf dem Boden ausgebreitet worden waren. «Schlafen Sie, meine Damen. Morgen steht Ihnen ein anstrengender Tag bevor.»
Campion lächelte. «Ich kann heute Abend nicht schlafen.»
«Sie werden. Sie sind in Sicherheit.» Er nahm ihre Hand, führte sie an seine Lippen, und sein Kuss war warm auf ihrer Haut. Er schenkte ihr ein heimliches, schelmisches Lächeln, das Wunder zu versprechen schien. «Gute Nacht, liebe Lady Campion.»
Sie ging mit Edna nach oben, und während die schmierigen Bällchen aus fettgetränktem Schwamm in der Nacht abkühlten, während das kleine Königreich auf den Morgen und auf den Rom-Zauber wartete, schlief sie tief und fest.
18
Der erste verzweifelte Schrei weckte Edna. Zu Tode erschrocken klammerte sich das Dienstmädchen unter den Decken an Campion. «Mylady! Mylady!»
Campion hielt sie fest. Mit weitaufgerissenen Augen lauschten die beiden jungen Frauen, als ein zweiter Schrei erklang. «Lieber Gott!» Campion kroch aus der warmen gemeinsamen Bettstatt. «Bleiben Sie hier!»
Sie zog ein Kleid über ihren Unterrock, schob ihre Füße in die Schuhe und nahm den Umhang von ihrem provisorischen Bett. Dann lief sie die teppichlosen Stufen hinunter und eilte hinaus in den Hinterhof.
Simon Burroughs, der großgewachsene oberste Kutscher von Lazen, stand am Eingang zum Stallhof Wache. Er hatte die Anweisung, außer ihr niemanden hineinzulassen. «Amüsiert sich köstlich mit ihm, Mylady!», sagte er fröhlich, als er ihr in der feuchten Kühle des frühen Morgens das Tor öffnete.
«Geben Sie es mir! Geben Sie es mir!», schrie Lord Culloden. Seine Augen waren weit aufgerissen, Tränen glitzerten darin, ungekämmt und glatt hing das Haar ihm um die unrasierten Wangen. «Geben Sie es mir! Um der Liebe Christi willen! Geben Sie es mir!»
Campion blieb verwundert stehen.
Seine Beine waren mit einem Seil gefesselt, seine Handgelenke verschnürt, seine Kniehose mit Erbrochenem bekleckert. Er drehte sich um, als sie in den Hof kam, und fiel – wie unglaublich! – vor ihr auf die Knie und hob die Hände wie ein Bettler. «Sag ihm, er soll es mir geben! Sag ihm, er soll es mir geben!»
Seine prächtige Uniform hing offen an ihm herunter. Er zitterte.
Hinter ihm, auf dem Aufsitzblock, saß Skavadale und lächelte. Er hielt eine lange Peitsche in der rechten Hand. «Guten Morgen, Mylady!», sagte er fröhlich.
«Was haben Sie mit ihm gemacht?»
«Sag ihm, er soll es mir geben!» Culloden rutschte auf den Knien auf sie zu. «Bitte!» Tränen tropften von seinen Wangen auf seine zerrissene Halsbinde.
Campion ging um ihn herum. «Was will er?», fragte sie bestürzt.
«Das.» Skavadale hob eine Taschenflasche hoch.
«Was ist das?» Sie runzelte die Stirn. Es war nicht leicht, einen Mann so erniedrigt und gebrochen zu sehen, nicht einmal diesen Mann, der sie durch die Wälder von Lazen gehetzt und versucht hatte, ihr die Kleider vom Leib zu reißen.
Lächelnd hielt Skavadale ihr die Taschenflasche hin. Sie nahm sie und spürte, dass darin eine Flüssigkeit gluckerte.
«Was ist es?»
«Ein alter Rom-Trick, Mylady.» Er blickte zu Lord Culloden hinüber, der flehentlich auf die Flasche in Campions Hand starrte. «Was macht ein Bauer mit einem Schwein, das an einer geheimnisvollen Krankheit stirbt?»
«Er vergräbt es natürlich.» Ein Schwein, das an einer Krankheit starb, war ein giftiger Fleischhaufen. Kein vernünftiger Mensch würde einen solchen Kadaver essen wollen.
Skavadale blickte auf den knienden, weinenden Lord Culloden, stand auf und nahm den letzten übrig gebliebenen Schwammball in die Hand. Er lächelte Campion an. «Nehmen wir mal an, Sie sind ein hungriger Zigeuner. Sie machen diese Bällchen, so wie ich gestern Abend, lassen sie mit heißem Fett vollsaugen und dann abkühlen. Und wenn das Fett gehärtet ist, Mylady, dann schneiden Sie den Bindfaden ab.» Sie sah die Einschnitte, wo der Bindfaden den Schwamm zusammengehalten hatte. «Das kalte Fett hält den Schwamm zusammen, Mylady, und man füttert dem Schwein ein halbes
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